Alles Geschichte! 7, Schulbuch

174 LÄNGSSCHNITT 1867 bis 1920 Die Doppelmonarchie Mit dem Ausgleich 1867 zwischen Österreich und Ungarn (s. Band 6, S. 116–117) reagierte das Kaisertum auf seine militärischen Niederlagen in Italien und gegen Preußen, indem es Ungarn politisch entgegenkam. Er war weniger ein Schritt zur Demokratisierung als zur Stärkung des Nationalismus in beiden Reichsteilen. Beide Teile erließen neue Verfassungen. In Österreich führte ein eingeschränktes Wahlrecht dazu, dass nur Mitglieder von vier ungleich gewichteten Kurien Vertreter für das Abgeordnetenhaus wählen konnten. Jedoch wurde mit der Verfassung von 1867 zumindest ein Grundrechtskatalog beschlossen. Der Ausgleich führte zur Schaffung eines dualistischen Systems, mit eigenen Regierungen, Parlamenten und Verwaltungen, aber unter einem gemeinsamen Herrscher. Die politische Macht blieb in den Händen einer kleinen Elite. Die Verfassungsbewegung Die Verfassungsbewegung der 1860er-Jahre war eine politische Bewegung, die sich für eine liberale Verfassung einsetzte. Doch unterschiedliche Faktoren verhinderten größere Erfolge. Der größte Widerstand gegen die politischen Reformen kam von den konservativen Kräften innerhalb der Regierung und des Adels. Diese Gruppen hatten zum einen Angst vor dem eigenen Machtverlust und waren zum anderen besorgt darüber, dass die Einführung einer liberalen Verfassung und eines allgemeinen Wahlrechts zu Chaos und Instabilität führen würden. Doch auch verschiedene interne Strömungen, die unterschiedliche Vorstellungen darüber hatten, wie die politischen Reformen umgesetzt werden sollten, bremsten die Bewegung. Diese Uneinigkeit führte dazu, dass die Bewegung nicht in der Lage war, breite Unterstützung zu gewinnen und wirksam politischen Druck auszuüben. Das Frauenwahlrecht Ein wichtiges Anliegen der Verfassungsbewegung war die Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts, auch für Frauen. Doch die Reform des Wahlrechts von 1907 führte die erste allgemeine, gleiche und direkte Wahl für Männer ein, grenzte aber nun sogar jene sehr geringe Zahl an Frauen aus, die zuvor zumindest über das Kurienwahlrecht eine Stimme hatten. M4: Marianne Saxl-Deutsch: Plakat zum Weltfrauentag, 1912 Erst im Jahr 1918, mit der Gründung der Republik, wurde das Wahlrecht auf die Frauen ausgedehnt (s. S. 40–41). Das ist auch insofern bedeutend, da diese aufgrund der vielen Gefallenen mit 53,6 % der Bevölkerung die Mehrheit ausmachten und damit 1919 bei der Wahl zur Konstituierenden Nationalversammlung wahlentscheidend wirkten. 82,1 % der wahlberechtigten Frauen gaben ihre Stimme ab. Von 170 Abgeordneten waren erstmals 8 Frauen im Parlament vertreten. Die Wahlrechtsordnung der Ersten Republik Diese Wahl war über das Frauenwahlrecht hinaus ein notwendiger Schritt zur Demokratisierung. Das Verhältniswahlrecht und die Gleichwertigkeit jeder Stimme (statt der Kurien) waren Vorbedingungen für die Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten nach 1918. Zusätzlich wurde das Wahlalter 1919 von 24 auf 20 Jahre gesenkt. 1920 erfolgte die Verabschiedung des Bundes-Verfassungsgesetzes (s. S. 40–41). Jetzt bist du dran: 1. Dekonstruiere M4 und beschreibe, wer Adressat/in ist. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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