175 1920 bis 1946 Die Verfassungsnovelle von 1929 In der Bundesverfassung von 1920 hatte das Parlament große Macht, da festgelegt war, dass Nationalrat und Bundesrat gemeinsam den Bundespräsidenten bestimmten und der Nationalrat die Bundesregierung wählte. Nach Kritik an diesen Bestimmungen wurde die Bundesverfassung 1929 novelliert. Diese Verfassungsnovelle stärkte die Position des Bundespräsidenten gegenüber dem Parlament, indem er nun vom Volk direkt gewählt wurde, die Bundesregierung ernannte und entließ und den Nationalrat auflöste. Diese Aufgaben prägen noch heute die Rolle des Bundespräsidenten. Demokratie in Gefahr In den ersten Jahren war die junge Demokratie in Österreich vergleichsweise erfolgreich, gemessen an den Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hatte (s. S. 43–45). Ab der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre verschlechterten sich jedoch die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen (s. S. 50–53). Den Rücktritt der drei Nationalratspräsidenten im Jahr 1933 nutzte schließlich der christlichsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, um autoritär zu regieren. Auch die Opposition wurde verboten. Bis Kriegsende 1945 wurde keine Nationalratswahl mehr abgehalten. Eine „Volksabstimmung“ als Missbrauch demokratischer Mittel Um (vormals) demokratische Staaten ohne kriegerische Mittel auch international rechtmäßig ein- oder auszugliedern, bedarf es einer anerkannten Abstimmung. Der Propaganda-Apparat des NS-Regimes nutzte daher die Volksabstimmung für den „Anschluss“ an das Deutsche Reich medienwirksam. Weltweit sollte das Bild allgemeiner Zustimmung von Seiten der österreichischen Bevölkerung vermittelt werden. Der Stimmzettel (s. S. 54–55), aber auch Propaganda, Terror und der Ausschluss von 360 000 Österreicherinnen und Österreichern verdeutlichen, wie dieses eigentlich demokratische Instrument missbraucht wurde. Die Rückkehr der Demokratie in Österreich Bereits zwei Tage nach der Unabhängigkeitserklärung am 27. April 1945 wurde in Österreich eine provisorische Regierung unter Kanzler Karl Renner im Parlament angelobt. Dieser bestand auf die rasche Abhaltung einer Wahl, um das neue Österreich in seiner staatlichen und kulturellen Existenz zu bestätigen. M5: Eva Manhart: Kundgebung „Demokratie verteidigen! Gegen Rechtsextremismus und Rassismus“. Fotografie, 26.01.2024 Als im Jänner 2024 bekannt wurde, dass hochrangige Politiker/innen der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) die Vertreibung von Millionen Menschen nach rassistischen Kriterien aus Deutschland planten, riefen auch in Österreich NGOs (Black Voices Austria, Fridays for Future und die Plattform für eine menschliche Asylpolitik) zu einer Kundgebung vor dem Parlament auf. Jetzt bist du dran: 1. Beschreibt das Versagen der drei genannten Säulen einer Demokratie am Beispiel der Ersten Republik. Ziehe dazu die Seiten 50–53 in diesem Buch heran. 2. Die Volksabstimmung 1938 ist ein Beispiel für Manipulation mit demokratischen Mitteln. Führt selbst eine Abstimmung in der Klasse durch und entwickelt vorher Regeln, um eine objektive Entscheidung zu gewährleisten: • Wer darf wählen? • Wer sichert das Ergebnis? Wie wird die Fragestellung erarbeitet? • Wie wird gewählt? • Wer informiert die Wählenden über die Fragestellung und die Auswirkungen? 3. Beschreibe das Foto M5 und analysiere seine Wirkmacht. 4. Setze den Informationstext zur Kundgebung „Demokratie verteidigen! Gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ mit der Aufschrift auf dem Parlamentsgebäude in Beziehung und überprüfe auf Grundlage deines Wissens zum Nationalsozialismus den Zusammenhang. 5. Rufe mit der QuickMedia-App das Video „Der lange Weg zum Frauenwahlrecht“ auf. Löse die interaktiven Aufgaben. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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