Alles Geschichte! 7, Schulbuch

181 „Stay-behind-Gruppen“ Der Widerstand sollte in Form von „Stay-behind-Gruppen“ organisiert werden, die von der CIA in ganz Europa ausgebildet sowie militärisch und finanziell unterstützt wurden. Das waren paramilitärische Einheiten antikommunistisch eingestellter, oftmals radikal rechter Personen. Sie sollten im Falle eines Einmarschs der Roten Armee untertauchen („stay behind“) und unter anderem Sabotageaktionen durchführen. Anders als in den übrigen westeuropäischen Staaten bildete sich in Österreich eine solche von der CIA unterstützte Gruppe aus Gewerkschaftsmitgliedern und SPÖ-Funktionären. Zur Tarnung wurde ein Verein namens Österreichischer Wander-, Sport- und Geselligkeitsverein gegründet, über den Fahrzeuge und Räumlichkeiten angemietet wurden. Der Verein bestand bis 1967. Weiters wurden von der CIA ehemalige Wehrmachtssoldaten mit Funkausbildung rekrutiert, die noch in den 1960er-­ Jahren aktiv waren. Staatsvertrag und Neutralität Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955 und der Erklärung der Neutralität Österreichs mussten die Nachrichten- und Geheimdienste der Alliierten gemeinsam mit den verbliebenen Truppen Österreich offiziell verlassen. Ein Großteil der Geheimdienstmitarbeiter/innen kehrte in ihre Heimat zurück, die verbliebenen verlagerten ihre Aktivitäten nun noch mehr ins Geheime. Ihre Niederlassungen tarnten sie als diplomatische Vertretungen oder Institute. Die errichteten Netzwerke wurden aufrechterhalten. Wien blieb weiterhin von besonderem Interesse, durch seine Stellung als ein Zentrum des Ost-West-Handels und als Standort vieler internationaler Unternehmen und Organisationen. 1965 siedelte sich zum Beispiel die Organisation Erdöl exportierenden Länder (OPEC) in Wien an, 1979 die UNO. Der österreichische Nachrichtendienst Bereits kurz nach Kriegsende wurde der zivile Nachrichtendienst, die Staatspolizei, neu gebildet. Neben der Verfolgung von Kriegsverbrechern und -verbrecherinnen konzentrierte man sich auf die Überwachung von verschiedenen (vor allem linken) Gruppen, von Gewerkschaften und von möglichen Staatsfeinden. Nachdem Österreich ab 1955 wieder ein eigenes Bundesheer unterhalten durfte, kam 1956 zur Staatspolizei ein militärischer Nachrichtendienst hinzu. Der Aufbau erfolgte mit Unterstützung der USA und auch im Einsatz gab es eine weitläufige Kooperation – mit klarer Ausrichtung gegen den Ostblock. Blick in die Gegenwart Auch heute gilt vor allem Wien noch als Hotspot und Drehscheibe für Agenten und Spione. Historiker und Politikwissenschafter Thomas Riegler über russische Spionage in Österreich (2024) […] Nicht umsonst zitierte die „Financial Times“ 2022 einen europäischen Diplomaten, der Österreich einen „veritablen Flugzeugträger“ für verdeckte russische Aktivitäten nannte. […] Österreich ist ein zentraler Knotenpunkt, von dem aus man bequem über die rundum offenen Grenzen reisen kann. Intensiv beobachtet wird die ukrainische und russische Exil-Community. Dass die improvisierte Gedenkstätte für [den vermutlich ermordeten russischen Oppositionellen] Alexei Nawalny gegenüber der russischen Botschaft [in Wien] von Unbekannten zerstört wurde, ist kein Zufall. Der kürzlich erfolgte Hammer-Angriff auf den Nawalny-Vertrauten Leonid Wolkow in Litauen und der Mord an dem übergelaufenen Hubschrauberpiloten Maxim Kusminow in Spanien zeigen, welchen Gefahren Regimegegner auch in der EU ausgesetzt sind. M8: Riegler: Österreich und Russland: Komfortzone für Spionage, in: profil, 24.3.2024. Online auf: www.profil.at (8.11.2024). Investigativjournalist Christo Grozev (26.6.2024) „Es ist wahr, dass Österreich die Infrastruktur der Spionageabwehr eines sehr kleinen Landes hat, obwohl es angesichts der Konzentration von Spionen die Struktur eines großen Landes benötigen würde“ […]. M9: Online auf: www.orf.at (9.11.2024). Jetzt bist du dran: 1. Beschreibe das Plakat (M6) und dekonstruiere es in Hinblick auf die Gattung des Agenten-Films. 2. Vergleiche die Gründe für die Einrichtung der paramilitärischen Verbände nach dem Ersten Weltkrieg in Österreich mit jenen, die zur Einrichtung von Stay-Behind-­ Gruppen in den westeuropäischen Staaten durch die CIA führten. 3. Analysiere die Gefahren, die mit dem Anlegen von Waffenlagern (M7) und der Unterstützung von paramilitärischen Gruppen auf fremdem Staatsgebiet verbunden sind. 4a. Vergleiche unter Berücksichtigung des Autorentextes und des Artikels (M8) die Gründe, weshalb Wien nach dem Zweiten Weltkrieg eine Hochburg der Spionage wurde und wieso es das heute noch ist. 4b. Ordne Grozevs Aussage (M9) in die Informationen des zweiten Absatzes von M8 ein. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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