Alles Geschichte! 7, Schulbuch

71 „Deutsche“ Kinder im Nationalsozialismus Besonders Kinder waren in der NS-Diktatur Opfer von Indoktrination. In der Schule lernten sie ausschließlich regimekonforme Inhalte kennen. Kritisches Hinterfragen und individuelle Entwicklung wurden nicht gefördert. Die Vereinnahmung der Kinder und Jugendlichen wurde nach der Schule in NS-Freizeitorganisationen fortgeführt. Bereits 1926 war die Hitlerjugend (HJ) für Knaben gegründet worden, vier Jahre später der Bund Deutscher Mädel (BDM). Nach der Gleichschaltung 1933 waren alle anderen Jugendorganisationen verboten, 1939 wurde die Mitgliedschaft in HJ und BDM Pflicht. Die Kinder und Jugendlichen trainierten jene rollengemäßen Fähigkeiten, die ihnen von der NS-Diktatur zugedacht wurden. Die Burschen wurden im Hinblick auf den zukünftigen Militärdienst unter anderem in Disziplin, körperlicher Ertüchtigung und Waffengebrauch geschult. Die Mädchen lernten z. B. hauswirtschaftliche Fähigkeiten und betrieben Sport. Mit dem für Deutschland ungünstigen Kriegsverlauf nach 1942 wurden die Hitlerjungen zur Verteidigung eingesetzt. Oft bedienten sie FLAK-Geschütze (= Flugabwehrkanonen). Im letzten Kriegsjahr, als reguläre Soldaten kaum noch verfügbar waren, kämpften Jugendliche ab 16 Jahren im „Volkssturm“. Mädchen wurden vermehrt an der „Heimatfront“ eingesetzt, z. B. in der Soldatenpflege oder bei Ernteeinsätzen. Aus der Autobiografie von Günter Lucks, der im März 1945 als 16-Jähriger zur Waffen-SS eingezogen wurde Bereits in den Wochen der Ausbildung stellte sich bei mir eine tiefe Abneigung gegen diesen stumpfsinnigen Dienst ein. Ich hatte mir das alles anders vorgestellt. Militär, das hatte in mir früher stets romantische Assoziationen geweckt: Schneidige, gutgekleidete Soldaten, die ihre Waffen beherrschten, im Gelände umhersprangen. […] Die von mir gesammelten und geliebten Zigarettenbilder hatten mein Soldatenbild geprägt: eine farbenfrohe, heile Welt ohne Kratzer. […] Auf diesen Krieg hatte ich mich gefreut. Doch das, was mich hier erwartete, war nüchtern, abstoßend und hatte auch nicht den leisesten Anflug von „Kriegerromantik“. M3: Lucks: Ich war Hitlers letztes Aufgebot, 2010, o. S. Ebenso traumatisierend wie die tatsächlichen Kriegserfahrungen waren für die Kinder und Jugendlichen die Trennung von ihren Vätern und die zunehmenden Bombardierungen und Luftschutzalarme, die sie in Todesangst in die Luftschutzkeller zwang. Kinder außerhalb der „Volksgemeinschaft“ Physisch oder psychisch beeinträchtigte und jüdische Kinder und Jugendliche waren von den Jugendorganisationen ausgeschlossen. Sie wurden von den Nationalsozialisten als „Feinde des Systems“ angesehen und lebten ab Kriegsbeginn in zunehmender Gefahr. Jüdische Kinder wurden zunächst ausgegrenzt, später mit ihren Eltern verhaftet. Weit über eine Million jüdische Kinder wurden ermordet. In den Konzentrationslagern galten sie als „unnützlich“, da sie nicht für Zwangsarbeit eingesetzt werden konnten. Physisch oder psychisch beeinträchtigte Kinder wurden als so genanntes „unwertes Leben“ in eigenen Tötungsanstalten ermordet (s. S. 78). Kinder aus den annektierten Gebieten im Osten wurden teilweise als Zwangsarbeiter/innen für die (Rüstungs-)Industrie gewaltsam verschleppt und ausgebeutet. Nach bestimmten Kriterien wurden Kinder aus dem Osten für eine „Germanisierung“ ausgewählt und dafür deutschen Familien zugewiesen oder in Lager und Heime gezwungen. M4: Unbekannt: Propagandaplakat, 1937 Jetzt bist du dran: 1. Analysiere das Plakat M1. Gehe dabei darauf ein, welche Rolle den Frauen zugedacht wird. Inwiefern passt dieses Plakat zu der von den Nationalsozialisten den Frauen zugedachten Rolle? 2. Interpretiere den Erlass zur DAF (M2) vor dem Hintergrund der NS-Ideologie. Gehe auf die intendierte Auswirkung ein und darauf, welche Rolle die Organisation KdF hierbei spielen könnte. 3. Arbeite aus dem Text und M4 heraus, inwiefern Kinder vom NS-System vereinnahmt wurden. 4. Analysiere M3 in Hinblick auf Vorstellung (NS-Propaganda) und erlebte Wirklichkeit. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==