86 4.11 Widerstand gegen Nationalsozialismus und Besatzung Organisierter Widerstand im heutigen Österreich Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 rief in großen Teilen der Bevölkerung Jubel hervor. Er führte aber auch zur Bildung von Widerstandsbewegungen in verschiedensten politischen Lagern mit dem Ziel, die NS-Diktatur zu bekämpfen, darunter Monarchisten, Vertreter/innen des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes, Anhänger/ innen aus dem sozialdemokratischen und kommunistischen Lager. Ebenfalls Widerstand leisteten studentische und katholische Gruppierungen sowie einzelne Schüler/ innengruppen. Die Aktionen reichten von der Verbreitung von Flugblättern und dem Anbringen von Anti-NS-Slogans auf Hausmauern über das Verstecken von Verfolgten und Fälschen von Dokumenten bis zu Sabotageakten auf die Infrastruktur und in Kriegsmaterial produzierenden Fabriken sowie bewaffnetem Widerstand. Grundsätzlich muss jedoch festgestellt werden, dass das Ausmaß des Widerstandes in Österreich eher gering war. Beispiel politischen Widerstandes: KPÖ Kommunistinnen und Kommunisten waren besonders stark im politischen Widerstand vertreten, wobei viele vor 1934 sozialdemokratisch waren und erst nach dem erfolglosen sozialdemokratischen Aufstand im Februar 1934 der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) beitraten. Die Gruppen waren hierarchisch organisiert und hielten sich an die Vorgaben, die sie aus der Sowjetunion bekamen. Bis Kriegsende wurden mehrere Organisationen, auch durch den Einsatz von Gestapo-Spitzeln, aufgedeckt und zerschlagen. Die österreichische Widerstandsgruppe „O5“ Im Laufe des Krieges bildete sich ein überparteilicher und überkonfessioneller loser Verbund von Widerstandsgruppen. Ein wichtiger Akteur war Hans Becker, der als Mitarbeiter der Propagandaabteilung der Vaterländischen Front nach dem „Anschluss“ mit dem ersten sogenannten Prominententransport in das KZ-Dachau deportiert wurde. Er kam wieder frei und begann mit dem Aufbau einer breiten Widerstandsbewegung. Der Name O5 bedeutete verschlüsselt OEsterreich. Die Mitglieder der Gruppe versteckten Verfolgte, zerstörten Bahngleise, organisierten Waffen, stellten falsche Ausweise her, leiteten Informationen an die Alliierten weiter usw. Widerstand im Militär: Karl Szokoll Kontakt zu O5 hatte der österreichische Offizier Karl Szokoll. Dieser war ein Unterstützer der Verschwörer des 20. Juli 1944, die unter der Leitung von Claus von Stauffenberg ein Attentat auf Hitler verübten. Hitler überlebte, hunderte Widerständler wurden verhaftet, viele hingerichtet. Szokoll versuchte in den letzten Kriegstagen mit mehreren Mitstreitern, die Stadt Wien kampflos an die Rote Armee zu übergeben. Der Plan wurde verraten, drei Offiziere wurden standrechtlich verurteilt und öffentlich in Floridsdorf erhängt. Widerstand von Einzelpersonen in Österreich Um Widerstand in der Bevölkerung zu unterbinden, wurde Kritik am NS-Regime – von Unmutsäußerungen bis zum Erzählen von Witzen – unter Strafe gestellt. Auch wegen Wehrkraftzersetzung (z.B. wenn man Deserteure versteckte), Hilfeleistung für Verfolgte und Abhören ausländischer Sender wurden Menschen verurteilt. Auch das Schlachten von Tieren ohne behördliche Genehmigung, um das Fleisch selbst zu nutzen, war verboten. Die Strafe für Widerstandshandlungen umfasste Geldbußen, Haftstrafen, die Einweisung in Konzentrationslager und Todesurteile. Nur wenige Österreicher/innen versteckten Jüdinnen und Juden oder verhalfen ihnen zur Flucht, wie Ella und Kurt Lingens. 1942 wurde das Paar verraten. Ella wurde in das Vernichtungslager Auschwitz überstellt. Sie wurde dort als Ärztin eingesetzt und überlebte. 1964 sagte sie in den Frankfurter Auschwitzprozessen aus (s. S. 88). M1: Aufstand im Warschauer Ghetto 1943. Jüdische Widerstandskämpfer/innen werden von der SS abgeführt. Fotografie, April 1943 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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