erleben und gestalten 4 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

16 Demokratie Vom Konflikt zur Gewalt Die Festigung demokratischer Entscheidungsstrukturen erwies sich in Österreich als schwierig. Die paramilitärischen Verbände prägten immer stärker die Politik der Ersten Republik. Im Mai 1930 machten die Heimwehren im Korneuburger Eid deutlich, dass sie den Staat radikal neu ordnen und sich von der Demokratie abkehren wollten. Ziele waren die Beseitigung von Parlamentarismus und Parteienstaat, stattdessen sollten sich die Berufsstände selbst verwalten (Ständestaat). Der Eid ließ keinen Willen nach politischer Zusammenarbeit mehr erkennen und verschärfte somit das politische Klima im Staat. Ende des Parlamentarismus in Österreich Bei einem Konflikt im März 1933 um eine Abstimmung traten alle drei Nationalratspräsidenten zurück, um als Abgeordnete ihrer Partei mitstimmen zu können. Durch die Rücktritte konnte das Parlament rein formal keine Beschlüsse mehr fassen. Die Situation wurde von der chistlich-sozialen Regierung Dollfuß missbraucht und eine „Selbstauflösung“ des Parlaments behauptet. Ein Zusammentreten der Abgeordneten wenige Tage später wurde auf Anweisung des Bundeskanzlers durch Polizeigewalt verhindert. Die Regierung Dollfuß regierte von nun an ohne parlamentarische Kontrolle. Ende März 1933 wurde der Republikanische Schutzbund verboten. Landtags- und Gemeinderatswahlen wurden abgeschafft, die richterliche Unabhängigkeit aufgehoben sowie die Presse- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Februarkämpfe 1934 Wiederholt führten Polizei und Heimwehr provozierende Waffensuchaktionen in Arbeiterheimen und Privatwohnungen durch. Bei einer Suche in Linz am 12. Februar 1934 leisteten Mitglieder des verbotenen Schutzbundes Widerstand. Daraufhin griff die Polizei, das Bundesheer und die Heimwehr bewaffnet ein. Ein Bürgerkrieg brach aus, der sich von Oberösterreich ausgehend über größere Industrieorte bis nach Wien und Graz ausweitete. In den vier Tagen des Februaraufstands starben geschätzt 300 Menschen und es gab viele Verwundete. Per Notverordnung erleichterte die Regierung die Verhängung der Todesstrafe, neun Schutzbundführer wurden in Folge hingerichtet. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei wurde verboten. Mitglieder ihrer Parteispitze, die nicht ins Ausland fliehen konnten, wurden verhaftet. Das Dollfuß-Schuschnigg-Regime und das Ende der Ersten Republik Am 1. Mai 1934 erließ die Regierung Dollfuß die sog. „Maiverfassung“, die Österreich endgültig in einen autoritär regierten Staat verwandelte. Alle Parteien wurden verboten, einzig erlaubt war die Vaterländische Front unter Bundesführer Dollfuß. Politische Gegnerinnen und Gegner wurden verfolgt, zum Teil arbeiteten sie im Untergrund weiter. Am 25. Juli 1934 versuchten Mitglieder der verbotenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei einen Umsturz. Der sogenannte Juli-Putsch schlug fehl, aber Bundeskanzler Dollfuß wurde dabei ermordet. Sein Nachfolger Kurt Schuschnigg hielt am autoritären System fest. Deutschland unter Adolf Hitler erhöhte den Druck auf die Regierung in Wien, um der verbotenen NSDAP zur Macht zu verhelfen. Am 12. März 1938 befahl Hitler den Einmarsch deutscher Truppen in Österreich („Anschluss“). O Faschismus, S.26 Polizeiliche Waffensuche in Linz, Foto, 12. Februar 1934 P Paramilitärischer Verband: Militärisch organisierte Gruppen abseits des staatlichen Militärs ÷ Symbol der Heimwehr war die Hahnenschwanzfeder an der Kappe, weshalb man Mitglieder der Heimwehr auch „Hahnenschwanzler“ nannte. Verhaftete Sozialdemokraten in Wien, Foto, 1934 Propagandaplakat für Dollfuß und die Vaterländische Front, 1934 P autoritär: im politischen Zusammenhang eine Herrschaftsform, die vom Staatsvolk Unterordnung einfordert Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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