erleben und gestalten 4 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

22 Faschismus Faschismus in Europa Umgang mit propagandistischer Sprache Es wird dir auffallen, dass in den Großkapiteln zu Faschismus und Holocaust etliche Wörter unter Anführungszeichen stehen. Dabei handelt es sich um Begriffe, die von der nationalsozialistischen Propaganda neue Bedeutungen erhielten oder neu geschaffen wurden. Im Nationalsozialismus verwendete man solche Begriffe zur Verharmlosung grausamer Taten, ihre Verwendung ist bis heute umstritten. Beispiele dafür sind „Führer“ statt Diktator, „Herrenrasse“ statt Unterdrückung anderer Menschen oder „Endlösung“ statt Ermordung. Wenn jemand heute solche Begriffe verwendet, so ist es wichtig, dass du darauf achtest, zu welchem Zweck dies geschieht: æ mit Absicht, um die Schrecken des Nationalsozialismus aufzuzeigen, æ mit Absicht, um die Ideen des Nationalsozialismus zu verbreiten, æ unbewusst, da der Person, die die Begriffe verwendet, deren historische Bedeutung nicht bekannt ist. Italien entwickelt sich zu einer Diktatur Nach dem Ersten Weltkrieg begünstigten wirtschaftliche Probleme soziale und politische Spannungen (z.B. in Italien, Deutschland, Österreich). Auch fehlendes Vertrauen in die Demokratie förderte das Entstehen faschistischer Gruppierungen in vielen Staaten Europas. Der Begriff Faschismus leitet sich von dem diaktorischen Regime unter Benito Mussolini in Italien ab. Seine Anhänger nannten sich „Fascisti“. Mussolini war Führer („Duce“) und Mitbegründer der faschistischen Bewegung (1919). Er kam im Zuge einer Regierungskrise 1922 an die Macht. Als Ministerpräsident sah er seine Hauptgegner in Kommunistinnen und Kommunisten bzw. Sozialistinnen und Sozialisten. Sie wurden verfolgt und terrorisiert. Bis 1925 errichtete er schrittweise eine faschistische Diktatur: Er schaltete das Parlament aus, hob die demokratischen Grundrechte auf, verbot alle Parteien bis auf die faschistische, verfolgte politisch Andersdenkende und rüstete das Heer auf. Auch die Erziehung wurde zur Staatssache, denn Kinder und Jugendliche sollten nach Mussolinis Grundsatz „glauben, gehorchen, kämpfen“. Trotz wirtschaftlicher Großprojekte (z.B. Straßen- und Kraftwerksbauten, Ausbau der Rüstungsindustrie) sank die Arbeitslosigkeit nur für kurze Zeit. Durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929 verschlechterten sich die Lebensbedingungen der italienischen Bevölkerung weiter. Mussolini wollte Italiens Macht vergrößern und überfiel 1935 Abessinien (heute Äthiopien und Eritrea). Hierbei erhielt er finanzielle Unterstützung aus Deutschland, wo inzwischen Adolf Hitler an die Macht gekommen war. Kennzeichen von faschistischen und diktatorischen Systemen Heute versteht man unter dem Begriff Faschismus eine Reihe von politischen Bewegungen, Systemen und Weltanschauungen, die v.a. in der Zwischenkriegszeit entstanden sind. Wesentliche Merkmale sind: æ Ablehnung der Demokratie (u.a. Ausschaltung des Parlaments, Aufhebung demokratischer Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit) æ Verbot jeder Opposition, Verfolgung politisch Andersdenkender æ starke Ausrichtung an einer Führerfigur (Führerkult) æ Verherrlichung von Nationalismus, Unterordnung der bzw. des Einzelnen unter die „Volksgemeinschaft“, Ausbau des Heeres æ Schüren von Hass auf bestimmte Gruppen („Sündenböcke“), rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut æ massiver Einsatz von Propaganda sowie von Gewalt und Terror P Propaganda: gezielte Verbreitung von politischen Ideen, Weltanschauungen oder Meinungen; politische Propaganda will Meinungen beeinflussen, steht häufig in Verbindung mit Diktaturen P Benito Mussolini (1883–1945), Ministerpräsident Italiens 1922–1943; regierte ab 1925 autoritär (diktatorisch), 1945 hingerichtet ÷ Der Begriff Faschismus leitet sich vom italienischen „fascio“ bzw. vom lateinischen „fasces“ (Rutenbündel) ab. Die italienischen „Facisti“ verwendeten das altrömische Rutenbündel als Zeichen auf ihren Fahnen und als Parteiabzeichen. Im antiken Rom waren die um ein Beil geschnürten Ruten Zeichen der Amtsgewalt hoher Beamter, die auch Todesurteile verhängen konnten. Faschistische Jugendorganisation (Balilla), Buben erlernen den Umgang mit Kleingewehren, Foto, 1938 (Rom, Italien) ÷ Abessinien war ein Kaiserreich in Ostafrika. Der italienischen Besatzungsherrschaft, die gegen das Völkerrecht verstieß, fielen bis 1941 zwischen 350 000 und 760 000 Menschen zum Opfer. Das waren etwa vier bis acht Prozent der damaligen abessinischen Bevölkerung. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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