26 Faschismus Austrofaschistischer Ständestaat Abschaffung der Demokratie In Österreich traten am 4. März 1933 während einer Abstimmung im Parlament die drei Nationalratspräsidenten zurück. Daraufhin erklärte Bundeskanzler Dollfuß das Parlament für ausgeschaltet. Regiert wurde nun mit dem „Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz“. Das Gesetz stammte aus dem Ersten Weltkrieg (1917) und war nie aufgehoben worden. Jetzt wurde es missbräuchlich angewandt, da es einer Regierung erlaubte, in Notzeiten auch ohne Parlament Verordnungen zu erlassen. Die Sozialdemokratische Partei protestierte dagegen heftig und geriet immer stärker in Gegensatz zur Regierung unter Dollfuß. Auch die Nationalsozialisten machten Druck. Sie verspürten nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland im Jänner 1933 starken Aufwind. Nach Terror- und Sabotageakten wurde die NSDAP im Juni 1933 in Österreich aber verboten. Autoritäres Regime nach italienischem Vorbild Die Regierung Dollfuß entschied sich für einen autoritären Weg und suchte außenpolitisch Unterstützung bei Benito Mussolini. Dieser verlangte dafür eine rasche Einführung einer faschistischen Ordnung in Österreich. Ein wichtiger Schritt dahingehend war die Gründung der Vaterländischen Front (VF) 1933. Die Partei sah sich als überparteiliche Massenorganisation aller regierungstreuen Kreise. Die Vaterländische Front richtete sich gegen den Nationalsozialismus und wollte das patriotische Österreich-Bewusstsein vertiefen. Ihr Symbol war das Kruckenkreuz, das für die „Erneuerung“ Österreichs stand. Dollfuß hatte einen Ständestaat zum Ziel, in dem an die Stelle von Parteien Berufsstände treten sollten. Am 1. Mai 1934 verkündete die Regierung eine neue Verfassung. Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur Durch die sogenannte „Maiverfassung“ schuf man eine autoritäre Staatsform, mit der von 1934 bis zum „Anschluss“ 1938 in Österreich ohne Parlament regiert wurde. In dieser Zeit gewann die römisch-katholische Kirche zunehmend an Einfluss (z.B. Familienrecht, Schulwesen). An die Stelle der Parteien trat die Vaterländische Front als einzig zulässige Partei. Gegen politisch Andersdenkende ging man in der Dollfuß-SchuschniggDiktatur mit großer Härte vor. Bei Verdacht einer illegalen Betätigung für eine der verbotenen Parteien (SDAP, KPÖ, NSDAP) konnten sie von der Polizei ohne Gerichtsverfahren in ein „Anhaltelager“ eingewiesen werden. Das größte Lager dieser Art war Wöllersdorf (NÖ), kleinere Lager gab es noch in Kaisersteinbruch (Bgld.), Graz-Messendorf (Stmk.) und Nauders (T). Engelbert Dollfuß (li.) und sein Nachfolger Kurt Schuschnigg (re.) bei einer Kundgebung der Vaterländischen Front in Tulln (NÖ), Foto, 1934 Plakat der Vaterländischen Front, österreichische Flagge mit Kruckenkreuz, 1936 ÷ Die beratende Funktion der Berufsstände für die Regierung wurde aber nie im Detail geplant und auch nicht umgesetzt. Der „Ständestaat“ existierte also nur als Idee. ÷ Im Oktober 1934 waren im Anhaltelager Wöllersdorf rund 5 000 politische Gefangene (Sozialdemokraten, Kommunisten, Nationalsozialisten) inhaftiert. Durch eine Amnestie (Begnadigung) 1936 sank die Zahl der Gefangenen auf ca. 500 Personen; Entlassene standen aber weiterhin unter Beobachtung der Polizei. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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