erleben und gestalten 4 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

46 Holocaust Romnija und Roma im Holocaust Verfolgung, Zwangsarbeit und Lagerhaft Vor 1938 lebten rund 11 000 Romnija und Roma in Österreich, die größte Gruppe waren die Burgenland-Roma (ca. 8 000). Nach der NS-Rassenideologie galten Romnija und Roma als „rassisch minderwertig“, „asozial“ und „kriminell“. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurden einige tausend österreichische „Zigeuner“ verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Als „Zigeuner“ geltende Personen wurden enteignet, verloren die Reichsbürgerschaft, erhielten Berufs- und Eheverbot und Kinder bekamen Schulverbot. Ab 1939 wurden sie in eigens errichtete Zwangsarbeitslager eingewiesen. Das größte österreichische „Zigeunerlager“ war Lackenbach im Burgenland. Auf einem Gutshof mussten die Inhaftierten in ehemaligen Viehställen auf Strohlagern und ohne sanitäre Einrichtungen leben. Trotz schlechtester Ernährung mussten sie Zwangsarbeit leisten (z.B. auf lagereigenen Feldern bzw. beim Straßenbau, in Fabriken, auf Bauernhöfen). Ziel der NS-Mordpolitik war es, die Minderheit der Romnija und Roma vollständig zu vernichten. Massendeportationen in die Vernichtungslager 1941 wurden 5 000 österreichische Romnija und Roma, die Hälfte davon Kinder und Jugendliche, in das Ghetto Łódź (Polen) deportiert und ermordet. Ab Februar 1943 wurden aus fast ganz Europa rund 23 000 als „Zigeuner“ geltende Personen nach Auschwitz-Birkenau deportiert, darunter auch weitere 2 900 Menschen aus Österreich („Auschwitz-Erlass“). Etwa eine halbe Million europäische Romnija und Roma wurden ermordet. Von den österreichischen Romnija und Roma überlebten nur wenige den Holocaust, es gab nur rund 1 500 bis 2 000 Überlebende. Erfahrungen einer verfolgten Romni Ceija Stojka war Schriftstellerin, Malerin und Sängerin und Zeitzeugin des Holocaust. 1941 wurde sie als Achtjährige gemeinsam mit ihrer Mutter und weiteren Verwandten nach Ausschwitz-Birkenau deportiert. Sie wurde als Arbeitssklavin missbraucht, geschlagen, gepeinigt und musste hungern. 1944 kam sie gemeinsam mit ihrer Mutter und Schwester in das Konzentrationslager Ravensbrück. Danach wurde sie nach Bergen-Belsen gebracht, wo sie im April 1945 befreit wurde. Sie kehrte nach Österreich zurück und lebte bis zu ihrem Tod in Wien. Über ihre Kindheitserfahrungen in drei Konzentrationslagern schrieb sie das Buch „Wir leben im Verborgenen“. In diesen Erinnerungen berichtet sie auch über die Benachteiligung von Romnija und Roma in Österreich nach 1945. Die Vorurteile aus der NS-Zeit waren nicht verschwunden und sie hatten es in Österreich daher schwer, als Opfer der NS-Verfolgung anerkannt zu werden und Entschädigungsleistungen zu erhalten. Der Völkermord an den Romnija und Roma fand im Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung lange keinen Platz. Roma-Zwangsarbeiter, Bau der Pinkafelder Straße, Burgenland, Foto, 1938 P „Zigeuner“: leitet sich vermutlich vom griech. Wort „Athinganoi“ (Unberührbare) ab; verwendet als abwertender Begriff, schreibt negative (z.B. Landstreicher, Diebe) oder romantisierende Vorurteile zu (z.B. ihre Musik); wird als Fremdbezeichnung von Betroffenen zumeist abgelehnt Mahnmal in Lackenbach für internierte und deportierte Romnija und Roma, Foto, 2018 Ceija Stojka (1933–2013), verarbeitete ihre traumatische Kindheit im KZ auf künstlerische Weise durch Schreiben und Malen, Foto, 2005 ÷ Ceija Stojkas jüngster Bruder wurde in Auschwitz und ihr Vater im KZ Dachau ermordet. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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