64 Zweite Republik Politik und Parteien nach 1945 Politische Kultur in der Nachkriegszeit Die politischen Parteien waren zu Beginn der Zweiten Republik sehr bemüht zusammenzuarbeiten. In der Ersten Republik und der nationalsozialistischen Diktatur waren sich die politischen Lager zunehmend feindlich gegenüber gestanden. Jetzt wollten sie Einigkeit gegenüber den Alliierten und dem Volk zeigen. Politische Entscheidungen wurden zu einem großen Teil in dem Bemühen getroffen, gemeinsame Lösungen zu finden (Konsenspolitik). Kompromiss- und Proporzregelungen dominierten die Politik. Nationalratswahlen und Gründung einer neuen Partei Unter Aufsicht der Alliierten bildete die Provisorische Staatsregierung 1945 eine Konzentrationsregierung zwischen ÖVP, SPÖ und Kommunistischer Partei (KPÖ). Die KPÖ verlor bei den Wahlen im Herbst 1945 aber an Bedeutung, der einzige kommunistische Minister verließ 1947 die Regierung. Der 1949 gegründete „Verband der Unabhängigen“ (VdU) kandidierte als „Wahlpartei der Unabhängigen“ (WdU) bei der Nationalratswahl 1949. Die Partei („nationales Lager“) sah sich u.a. als Interessenvertretung der wieder stimmberechtigten ehemaligen Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten und erreichte rund 12 % der Stimmen. 1955 wurde der VdU aufgelöst und ging teilweise in die neugegründete Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) über. Entstehen der Sozialpartnerschaft Charakteristisch für eine Demokratie ist die Beteiligung verschiedenster Interessenvertretungen am politischen Prozess. Nach 1945 bildeten verschiedene Kammern und der Österreichische Gewerkschaftsbund die so genannte Sozialpartnerschaft. Sie ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Interessensverbänden zur Diskussion von Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Organisationen vertreten die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerseite. Sie bemühen sich, gemeinsam Lösungen für wirtschaftliche und soziale Fragen zu finden (z.B. werden Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen miteinander verhandelt). Die Ergebnisse dieser Verhandlungen werden der Regierung als Empfehlungen vorgelegt. Die Sozialpartnerschaft prägte die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Zweiten Republik wesentlich mit. Sie ist ein politisches Instrument zum Erhalt des sozialen Friedens in Österreich. Erste Sitzung der Provisorischen Regierung Österreichs, Staatskanzler Karl Renner am Rednerpult, Foto, 1945 P Proporzsystem: Aufteilung von Ämtern entsprechend der Mehrheitsverhältnisse im Parlament; heute nur noch üblich in den Landesregierungen von Niederösterreich, Oberösterreich und Wien P Konzentrationsregierung, auch „Allparteienregierung“: Regierung, die sich aus (fast) allen Parlamentsparteien bildet, um einen starken Zusammenhalt in Krisen zu ermöglichen ÷ Organisationen der Arbeitgeberseite sind die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und die Industriellenvereinigung (in Vertretung der Unternehmen) sowie die Landwirtschaftskammern (in Vertretung der Landwirte). Organisationen der Arbeitnehmerseite sind der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Kammer für Arbeiter und Angestellte (AK). Sie vertreten die Interessen der Angestellten und Arbeiterinnen und Arbeiter. P Sozialer Friede: bedeutet für soziale Fragen gewaltfrei und gemeinsam Lösungen zu finden und dass es in einer Gesellschaft dafür auch Einrichtungen und Maßnahmen gibt (z.B. Sicherung der Grundbedürfnisse und Schutz vor Armut) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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