8 Demokratie Die Gründung der Ersten Republik Als sich die Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg abzeichnete, begann die Monarchie endgültig zu zerfallen. Ungarn, das Königreich Böhmen sowie die Gebiete des späteren Königreichs Jugoslawien erklärten Ende Oktober 1918 ihre Unabhängigkeit. Kaiser Karl I. verzichtete am 11. November 1918 auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften. Einen Tag später, am 12. November 1918, rief die provisorische Nationalversammlung vor dem Parlament in Wien die demokratische „Republik Deutschösterreich“ aus. Festlegung der Staatsgrenzen im Friedensvertrag von 1919 Die Grenzen der Republik bestimmte der Friedensvertrag von Saint Germain (1919). Ein Zusammenschluss mit Deutschland wurde verboten, die Bezeichnung „Deutschösterreich“ musste in „Österreich“ abgeändert werden. Über den Verlust von Gebieten mit vorwiegender deutschsprachiger Bevölkerung waren viele enttäuscht. Viele dieser Regionen fielen an andere Nachfolgestaaten des zerfallenen Habsburgerreiches. Südtirol und das Kanaltal kamen zu Italien, das Sudetenland zur Tschechoslowakischen Republik. Die Untersteiermark ging an das neu gegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat, später Jugoslawien). Das Königreich beanspruchte die zweisprachigen Gebiete in Südkärnten, seine Besatzungstruppen wurden im Frühjahr 1919 im so genannten „Kärntner Abwehrkampf“ aber zurückgedrängt. In einer Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920 stimmten rund 60 % der betroffenen Bevölkerung, darunter auch viele Kärntner Sloweninnen und Slowenen, für den Verbleib bei Österreich. Das Burgenland (deutschsprachiges Westungarn) wurde Österreich zugesprochen, durch eine Volksabstimmung 1918/1919 verblieb Ödenburg (Sopron) aber bei Ungarn. Wirtschaftliche Probleme Die wirtschaftliche Lage nach dem Krieg war schlecht. Es herrschten hohe Arbeitslosigkeit, Inflation und vielfach Hunger. Erschwerend war, dass Österreich die Staatsschulden der ehemaligen Monarchie Österreich-Ungarn übernehmen und aufgrund der Kriegsschuld Reparationszahlungen leisten musste. Nach Auflösung der Donaumonarchie gingen viele Absatzmärkte und wirtschaftliche Grundlagen verloren: So gehörten die fruchtbaren Agrargebiete nun zu Ungarn und frühere Industrieregionen wie auch die großen Kohlevorkommen lagen in der neugegründeten Tschechoslowakei. Aufgrund dieser Situation zweifelten viele an der wirtschaftlichen, aber auch an der politischen Lebensfähigkeit der Republik. Ausrufung der „Republik Deutschösterreich“ am 12. November 1918 in Wien, Foto Die österreichische Delegation geleitet von Karl Renner (Mitte) nach Unterzeichnung des Friedensvertrags, Foto, 1919 ÷ Die Bezeichnung „Republik Deutschösterreich“ war ein Zeichen für den Zweifel vieler Menschen daran, dass die Republik Österreich wirtschaftlich und politisch überleben könne. Mit dem Begriff wollte man sich auch von nichtdeutschsprachigen Gebieten der ehemaligen Monarchie abgrenzen, vielfach erwartete man einen baldigen Zusammenschluss mit Deutschland. P Saint-Germain: Vorort von Paris, wo im September 1919 der Friedensvertrag zwischen den Siegermächten und Österreich unterzeichnet wurde. Österreich hatte keine Mitsprache bei den Friedensverhandlungen. P Inflation: Geldentwertung verbunden mit einer Preissteigerung P Reparation: finanzielle und wirtschaftliche Entschädigungsleistungen, die ein besiegtes Land an Siegermächte für Zerstörungen im Krieg leisten muss ÷ Die im Friedensvertrag festgelegte Kriegsschuld und damit verbundene Maßnahmen wurden von Teilen der Bevölkerung und von einigen politischen Gruppierungen nicht anerkannt und trugen zur Entwicklung eines ungerechtfertigten Opfermythos bei. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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