84 Erinnerungskulturen Umgang mit der NS-Vergangenheit Entnazifizierung Die Alliierten forderten eine Entnazifizierung, um die österreichische Gesellschaft von allen Einflüssen des Nationalsozialismus zu befreien. Ehemalige NSDAP-Mitglieder (ca. 540 000) mussten sich registrieren lassen, sie verloren das Stimmrecht für die Wahlen 1945 und mussten Sühneabgaben leisten. Das 1947 beschlossene „Nationalsozialistengesetz“ brachte eine Einteilung der Registrierten in Kriegsverbrecherinnen und -verbrecher, Belastete und Minderbelastete. Bereits 1948 gab es eine umfassende Amnestie (Straferlass) für Minderbelastete (ca. 480 000), d.h. 90 % waren von der Entnazifizierung nicht mehr betroffen und erhielten das Wahlrecht zurück. Bei den Wahlen 1949 warben die Parteien heftig um die Stimmen dieser Wählerinnen und Wähler. 1957 gab es eine Amnestie auch für schwer belastete Personen. Die rasche Rehabilitierung ehemaliger Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten trug dazu bei, dass etliche von ihnen ihre Karrieren in der Zweiten Republik beinahe unbeschadet fortsetzen konnten. Ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärgerichte Manche Soldaten begingen im Krieg Fahnenflucht (unerlaubte Entfernung von der Truppen, Desertion), da sie nicht weiter für das NS-Regime kämpfen wollten. Wenn sie gefasst wurden, kamen sie vor ein NS-Militärgericht und wurden zu harten Strafen oder sogar zum Tod verurteilt. Nach 1945 bekamen die Überlebenden solcher Verfolgung keine Anerkennung, sie galten als Kriegsverräter. Aufgrund von Ergebnissen der Geschichtsforschung setzte sich etwa ab dem Jahr 2000 langsam die Ansicht durch, dass die NS-Militärgerichte bedingungslos im Dienst eines verbrecherischen Regimes gestanden hatten. Erst im Jahr 2009 wurde ein Gesetz geschaffen, das das Ansehen von Deserteuren rehabilitierte (wiederherstellte) und eine Fahnenflucht als Akt des Widerstands – demnach eine bewusste Nichtteilnahme am Krieg auf Seiten des nationalsozialistischen Unrechtsregimes – bewertet. Umgang mit der NS-Vergangenheit heute Heute sind große Kreise der Bevölkerung, allen voran Jugendliche, daran interessiert, mehr über die Opfer der NS-Verfolgung und über jene, die gegen den Nationalsozialismus Widerstand leisteten, zu erfahren. Eine Möglichkeit dazu bietet u. a. der nationale Gedenktag am 5. Mai, dem Tag der Befreiung des KZ Mauthausen, der aufgrund einer parlamentarischen Initiative seit 1997 begangen wird. Das zentrale Mahnmal zum Gedenken an die 65 000 ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden ist das Holocaust-Mahnmal in Wien. Es befindet sich vor dem jüdischen Museum am Judenplatz und wurde im Jahr 2000 enthüllt. Das Mahnmal besteht aus einem Steinquader in Form einer nach außen gekehrten Bibliothek, die für die große Zahl der Opfer und für ihre Lebensgeschichten steht. 2018 errichtete die Republik Österreich die Shoah Namensmauern Gedenkstätte, wo die Namen der 65 000 Opfer festgehalten sind und somit ihrer gedacht wird. O Faschismus, S.32 Rachel Whiteread, Holocaust- Mahnmal am Wiener Judenplatz im 1. Bezirk, Foto, 2017 Shoah Namensmauern Gedenkstätte, Wien, Foto, 2021 P Entnazifizierung: im engeren Sinn die Entfernung belasteter Personen aus ihren Ämtern und ihre Bestrafung; im weiteren Sinn umfasst sie das Verbot nationalsozialistischer Gesetze, Organisationen, Symbole und Schriften P Sühneabgabe: einmalige Abgabe, deren Prozentsatz vom Vermögen abhing, außerdem hatten alle „Sühnepflichtigen“ einen Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer zu bezahlen Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, auch Deserteursdenkmal, das überdimensionale liegende „X“ deutet die lange Anonymisierung und Auslöschung der Erinnerung an jene an, die sich der Fremdbestimmung widersetzten, Wien, Foto, 2014 Stolperstein zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, Salzburg, Foto, 2023 ÷ Gedenksteine für ermordete Jüdinnen und Juden setzen in Österreich auch der Verein „Steine der Erinnerung“ und die Initiative „Erinnern für die Zukunft“ Digitales Zusatzmaterial h6q2jy Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
RkJQdWJsaXNoZXIy MTA2NTcyMQ==