Mathematik verstehen 7, Schulbuch

162 8 EXAKTIFIZIERUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG Der Begriff der Stetigkeit ist ein gutes Beispiel dafür, dass man bei der Definition eines mathematischen Begriffs nicht immer genau das erfasst, woran man ursprünglich gedacht hat. Bisher sind wir von der Vorstellung ausgegangen, dass eine stetige Funktion dasselbe ist wie eine Funktion ohne Sprungstellen. Das trifft aber nicht zu. Das folgende Beispiel zeigt: Es gibt auch Funktionen ohne Sprungstellen, die nicht stetig sind. BEISPIEL Wir betrachten die Funktion f mit f (x) = ​{ ​ sin ​1 _ †x† ​für x ≠ 0 ​ 0 für x = 0 Der Grenzwert ​lim x ¥ 0​ ​f (x) existiert nicht, denn f nimmt in jeder beliebigen Nähe von 0 sowohl den Wert 1 als auch den Wert –1 an. Die Funktion ist also an der Stelle 0 unstetig, obwohl die Stelle 0 keine Sprungstelle ist. Eine solche Stelle bezeichnet man als Oszillationsstelle von f. 1 x f(x) 1 –1 –1 0 f 8.02 BEGRÜNDE 1) Jede Potenzfunktion f mit f (x) = c · xn und natürlichem Exponenten n ist stetig. 2) Jede Polynomfunktion mit f (x) = an · x n + a n – 1 · x n – 1 + … + a 0 ist stetig. 3) Jede rationale Funktion ist (in ihrem Definitionsbereich) stetig. LÖSUNG 1) Nach den Grenzwertregeln gilt an jeder Stelle p * R: ​lim x ¥ p​ ​f (x) = ​lim x ¥ p​ ​(c · xn) = ​lim x ¥ p​ ​(c · x​ · x · … · x  n Faktoren )​ = ​lim x ¥ p​ ​c · ​​lim​ x ¥ p ​x · ​lim​ x ¥ p ​x · … · ​lim​ x ¥ p ​x  n Faktoren ​= = c · p​ · p · … · p  n Faktoren ​= c · pn = f (p) 2) Nach den Grenzwertregeln und nach 1) gilt an jeder Stelle p * R: ​lim x ¥ p​ ​f (x) = ​lim x ¥ p​ ​(an · x n + a n – 1 · x n – 1 + … + a 0) = ​lim x ¥ p​ ​(an · x n) + ​lim x ¥ p​ ​(an – 1 · x n – 1) + … + ​lim x ¥ p​ ​a0 = = an · p n + a n – 1 · p n – 1 + … + a 0 = f (p) 3) Eine rationale Funktion ist von der Form f (x) = ​ g (x) _ h (x) ​, wobei g (x) und h (x) Polynome sind. Nach den Grenzwertregeln und nach 2) gilt an jeder Stelle p aus dem Definitionsbereich von f: ​lim x ¥ p​ ​f (x) = ​lim x ¥ p​ ​ g (x) _ h (x) ​= ​ ​lim x ¥ p​ ​g (x) _ ​lim x ¥ p​ ​h (x) ​= ​ g (p) _ h (p) ​= f (p) Die Stetigkeit kann auch für weitere Funktionen nachgewiesen werden. Im folgenden Satz sind die für uns wichtigsten Funktionen angeführt. Die Beweise führen wir nicht durch. Satz (Stetigkeit elementarer Funktionen) Die folgenden Funktionen sind in ihrem jeweiligen Definitionsbereich stetig: • P otenzfunktionen • r ationale Funktionen • E xponentialfunktionen • P olynomfunktionen • Winkelfunktionen • L ogarithmusfunktionen 8.03 Begründe: a) Jede konstante Funktion ist in ihrem größtmöglichen Definitionsbereich stetig. b) Jede lineare Funktion ist in ihrem größtmöglichen Definitionsbereich stetig. AUFGABEN R Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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