Killinger Literaturkunde, Schülerband

134 MEPHISTOPHELES: Wie magst du deine Rednerei Nur gleich so hitzig übertreiben? Ist doch ein jedes Blättchen gut. Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut. FAUST: Wenn dies dir völlig G’nüge tut, So mag es bei der Fratze1 bleiben. MEPHISTOPHELES: Blut ist ein ganz besondrer Saft. 9. Nennen Sie Filme, die den Teufelspakt als Motiv beinhalten. Die Form der Faust-Dichtung Goethes ist vielgestaltig: Manche Stellen sind in Prosa abgefasst, der Großteil jedoch in verschiedenen Versmaßen. Die älteren Teile sind im Knittelvers geschrieben (vgl. S. 44). Goethe übernahm diese Versform aus der Dichtung des 15. und 16. Jahrhunderts und wollte damit die Zeit der Handlung charakterisieren. Außerdem verwendete er den Blankvers, den Alexandriner und kurze Formen, ja sogar Liedstrophen. Die Sprache ist den Personen angepasst: Faust redet anders als Mephisto, der gern Fremdwörter gebraucht, um seine Redeabsicht zu verschleiern. Der Redestil der Personen ist aber auch von der Situation abhängig. Goethes Faust im Spiegel der Literaturgeschichte Die Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen (1835 – 1842) von Georg Gottfried Gervinus (1805 – 1871) erschien in erster Auflage 1835 bis 1842. Der Autor steht auf dem Boden des bürgerlichen Liberalismus. Er meint, „dass der Mensch nur in der Nation wahrhaft stark und groß sich entwickelt“. Für Gervinus, der auch Historiker war und der als Erster die Dichtung in engem Zusammenhang mit der historischen Entwicklung sah, liegt eine deutliche Parallele zwischen der Entstehungszeit des Volksbuches (zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts) und der Entstehungszeit des ersten Teiles von Goethes Faust (zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts) vor. In beiden Zeitaltern mischen sich Aberglaube und Aufklärung, in beiden war „die Möglichkeit gegeben, sich zur reinen Menschlichkeit hinanzubilden“. Von Goethes Werk heißt es dann: „Es leuchtet ein, dass Faust diesen Durchbruch […] darstellt.“ Faust, der „aus dem dunklen Zustande des Individuums hervorgegangen“ ist, zeigt also, wie sich der Mensch aus dem Aberglauben seiner Zeit löst und zu Freiheit und sinnvoller sozialer Tätigkeit fortschreitet. Wilhelm Scherers (1841 – 1886) Geschichte der deutschen Literatur erschien erstmals 1883. Scherer sieht in Faust ein Abbild Goethes: Wie Faust glaubte Goethe in [...] chemischen und alchimistischen Schriften den Schlüssel zu dem geheimnisvollen Zusammenhange des Naturganzen finden zu können. Wie Faust hegte er Selbstmordgedanken. Wie Faust war er frommen Stimmungen zugänglich und in der Anschauung des Weltalls religiös. [...] Wie Faust neigte er sein Herz einfachen Bürgermädchen zu [...] Wie Faust blieb er des rechten Weges sich wohl bewusst und kehrte von manchen Verirrungen stets wieder dahin zurück. Wie Faust kam er an einen Hof, griff in die Staatsgeschäfte ein und läuterte sich in strengem Dienste zum gemeinen Besten. Wie 95 100 1 Fratze: Grimasse Faust als Vertreter der bürgerlichen Aufklärung 5Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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