DEUTSCHE KLASSIK | 1786 – 1805 155 Johann Wolfgang von Goethe: Natur und Kunst (um 1800) Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen Und haben sich, eh’ man es denkt, gefunden; Der Widerwille1 ist auch mir verschwunden, Und beide scheinen gleich mich anzuziehen. Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen! Und wenn wir erst in abgemessnen Stunden Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden, Mag frei Natur im Herzen wieder glühen. So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen: Vergebens werden ungebundne Geister Nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will, muss sich zusammenraffen; In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. 13. Interpretieren Sie, wie das lyrische Ich das Verhältnis von Natur und Kunst darstellt: • Nennen Sie Aspekte, die mit dem Begriff Natur im Gedicht in Verbindung gebracht werden. • Stellen Sie diesen Punkten grundlegende Merkmale künstlerischer Tätigkeit gegenüber. • Deuten Sie die Schlussfolgerungen des lyrischen Ichs. • Analysieren Sie, warum Goethe gerade die Form des Sonetts (siehe S. 69) gewählt hat. • Vergleichen Sie die Aussagen dieses Gedichts mit der Auffassung Goethes in seiner Sturm-undDrang-Zeit (siehe S. 105ff.). • Kommentieren Sie, inwiefern diese Schlussfolgerungen heute noch Bedeutung haben. Goethe hatte Schiller kurz nach seiner italienischen Reise kennen gelernt. Die beiden, die in ihrem Denken und Dichten so grundverschieden waren, begannen schließlich einen Briefwechsel über Kunst und Literatur, aus dem sich eine tiefe Freundschaft entwickelte. Auf Schillers beständiges Zureden hin setzte Goethe seinen Faust fort. 1797 gaben sie gemeinsam einen Musenalmanach (eine Art Jahrbuch) heraus, in dem sie Balladen veröffentlichten. 14. Gestalten Sie zu zweit eine Präsentation zu den Balladen von Goethe und Schiller: • Recherchieren Sie die wichtigsten Balladen von Goethe und Schiller, die im Musenalmanach veröffentlicht wurden. • Geben Sie in Ihrer Präsentation einen Überblick über diese Texte. • Tragen Sie einen dieser Texte zusammen mit einem Partner oder einer Partnerin vor. 2 1 Widerwille: hier: unvereinbarer Gegensatz 4 6 8 10 12 14 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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