170 das Rädchen, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so ging‘s fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen waren voll Gold. Bei Sonnenaufgang kam schon der König und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch goldgieriger. Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wusste sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Tür auf und das kleine Männchen erschien und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?“ „Meinen Ring von dem Finger,“ antwortete das Mädchen. […] 5. Untersuchen Sie das Märchen Rumpelstilzchen aus der Sammlung der Brüder Grimm auf seine inhaltlichen und sprachlichen Merkmale: • Lesen Sie die Langfassung dieses Textes (siehe Internet-Arbeitsblatt) und fassen Sie den Inhalt des Märchens zusammen. • Charakterisieren Sie den König und sein Verhalten. (Vgl. Formen der Charakterisierung S. 451). • Erläutern Sie typische inhaltliche und sprachliche Aspekte eines Märchens anhand dieser Textstelle. 6. Deuten Sie das Ende des Märchens. Die Romantiker wollten das Märchen nicht nur bewahren und vermitteln, sondern sie verwendeten die Märchenform auch für eigene Dichtungen. Viele romantische Dichter, u. a. Novalis, Tieck, Clemens Brentano, Hauff, E.T.A. Hoffmann, haben Märchen (Kunstmärchen) geschrieben, weil sich im Märchen das Wunderbare ereignen kann und die Wirklichkeit eine Entgrenzung ins Unendliche erfährt. Schon im Mittelalter gab es Geschichten, die bewusst an Märchenmotive anknüpften. Kunstmärchen Im Gegensatz zum Volksmärchen ist die Verfasserin bzw. der Verfasser eines Kunstmärchens bekannt. Die Autorinnen und Autoren bedienen sich der Muster des Volksmärchens, schreiben aber eine eigenständige, künstlerisch gestaltete Erzählung. 7. Setzen Sie sich mit der Form des Kunstmärchens auseinander: • Schreiben Sie eine Anfangspassage eines Märchens zu einem Thema Ihrer Wahl (etwa 100 bis 150 Wörter). • Achten Sie dabei darauf, dass Ihr Text wie ein Märchen klingt. • Präsentieren Sie Ihre Arbeiten in der Klasse. • Diskutieren Sie, welche Merkmale eines Kunstmärchens Ihr Text aufweist. Mit der Form des Kunstmärchens wurden unterschiedliche Ziele verfolgt. So wollte Ludwig Tieck (1773 – 1853) vor allem das Unheimliche zeigen, während Novalis (1772 – 1801) im Märchen ein Mittel zur Darstellung der romantischen Philosophie sah. Die Dichter der Hochromantik wandten sich in ihren Kunstmärchen wieder stärker dem Inhalt und der Sprache des Volksmärchens zu. Die Stoffe für ihre Kunstmärchen entnahmen die Romantiker zum Teil alten Texten, zum Teil sind sie erfunden. Der Aufbau ist kunstvoll und die Sprache bewusst gestaltet. 20 25 Von Dichtern künstlerisch gestaltete Märchen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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