BIEDERMEIER UND VORMÄRZ | 1815 – 1848 181 Franz Grillparzer (1791 – 1872) Die Werke Franz Grillparzers, eines wichtigen österreichischen Dramatikers dieser Zeit, sind von seiner melancholisch-depressiven Grundeinstellung, seinem Unwillen, sich den staatlichen Stellen (Zensur) unterzuordnen, und seiner Bewunderung für die Weimarer Klassik geprägt. Einblick in die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Dichters gewährt die folgende Begebenheit: Der Polizeipräsident und Leiter der Zensurbehörde Graf Sedlnitzky ließ 1828 Grillparzer mitteilen, dass Seine Majestät der Kaiser das Drama Ein treuer Diener seines Herrn (1828) ganz allein besitzen möchte und dem Dichter für das damit verbundene Verbot der Drucklegung und Aufführung eine angemessene Entschädigung bezahle. Damit sollte eine Veröffentlichung verhindert werden. Grillparzer übergab dem Polizeipräsidenten ein entsprechendes Schreiben und notierte in seinem Tagebuch: „Er (Sedlnitzky) schien zufrieden und fand die angesetzte Entschädigungssumme mäßig. Begreife das, wer kann! Ich muss nun abwarten, was erfolgt. Ende die Sache aber auch wie immer. Die unsichtbaren Ketten klirren an Hand und Fuß. Ich muss meinem Vaterlande Lebewohl sagen oder die Hoffnung auf immer aufgeben, einen Platz unter den Dichtern meiner Zeit einzunehmen.“ Grillparzers Dramen lassen sich in drei Gruppen einteilen, die jedoch keine Lebens- und Entwicklungsphasen darstellen. 1. Die so genannten Griechendramen, die antike Stoffe verarbeiten: Sappho (1818), eine Künstlertragödie, Das goldene Vlies (1819) (eine Trilogie, darin Medea) und Des Meeres und der Liebe Wellen (1831), die Liebesgeschichte von Hero und Leander. 2. D ie historischen Dramen oder Staatsdramen: König Ottokars Glück und Ende (1825), Ein Bruderzwist in Habsburg (1872), Ein treuer Diener seines Herrn (1830) und Libussa (1848). 3. D ie am spanischen Theater orientierten Märchen- und Mythendramen: Der Traum ein Leben (1834) und Weh dem, der lügt! (1838), das einzige Lustspiel Grillparzers. Sein Trauerspiel Ein Bruderzwist in Habsburg handelt von Kaiser Rudolf II. (1552 – 1612), der am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges den Anbruch einer neuen, chaotischen und von Gewalt geprägten Epoche erahnt. Er weiß, dass er sie nicht aufhalten kann, und so tut er nichts, handelt nicht. Er will nicht mitschuldig werden und entscheidet sich für den inneren Frieden und gegen die Tat, die ihn in Schuld stürzen würde. Das Stück wurde schon 1825 begonnen (Grillparzer war damals 34 Jahre alt), aber erst 1848 abgeschlossen. Rudolf hat viele Züge Grillparzers, er spricht die Gedanken des Autors über die spannungsgeladene Zeit aus. Ein Bruderzwist in Habsburg (1848) RUDOLF: So dringt die Zeit, die wildverworrne, neue, Durch hundert Wachen bis zu uns heran Und zwingt zu schauen uns ihr gräulich Antlitz. – Die Zeit, die Zeit! Denn jener junge Mann, Wie sehr er tobt, er ist doch nur ihr Schüler, Er übt nur, was die Meisterin gelehrt. – Schaut rings um Euch in aller Herren Land, Wo ist noch Achtung für der Väter Sitte, Für edles Wissen und für hohe Kunst? (1. Aufzug) Einteilung der Dramen 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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