Killinger Literaturkunde, Schülerband

GEGENSTRÖMUNGEN ZUM NATURALISMUS | 1890 – 1925 247 15. Setzen Sie sich mit Inhalt und Darstellungsweise dieses Textabschnitts auseinander: • Beschreiben Sie Ihren ersten Leseeindruck in einem kurzen Statement. • Erläutern Sie, in welche Abschnitte diese Passage eingeteilt werden kann. • Analysieren Sie die Haltung der Erzählfigur (vgl. auch Hinweis auf das Erzählverhalten S. 443). • Kommentieren Sie die Wirkung, die diese Darstellungsform auf den Leser bzw. die Leserin hat. • Diskutieren Sie, inwieweit dieser Text als modern anzusehen ist. EXPRESSIONISMUS Abgesehen von einigen Vorläufern in der Malerei, Paul Gauguin (1848 – 1903) und Vincent van Gogh (1853 – 1890), und einigen expressiven Stellen in einzelnen dichterischen Werken tritt der Expressionismus in der Literatur und in der bildenden Kunst etwa gleichzeitig auf. In den Jahren 1910 und 1911 werden junge Kunstschaffende in verschiedenen Teilen des deutschen Sprachraums von ähnlichen Gefühlen und Empfindungen beherrscht. Ohne sich viel um literarische Vorbilder zu kümmern und ohne sich von den Strömungen der Zeit, dem Naturalismus, dem Impressionismus und dem Ästhetizismus, beeinflussen zu lassen, versuchen sie einen neuen Weg zu finden. In Berlin entstehen in diesen Jahren ebenso wie in München, Frankfurt, Leipzig, Prag, im Elsass und in Österreich expressionistische Texte. Expressionistische Maler schließen sich in Dresden 1909 zur Vereinigung „Die Brücke“ zusammen, 1912 sammelt sich in München die expressive Gruppe „Der blaue Reiter“ unter der Führung von Wassily Kandinsky (1866 – 1944) und Franz Marc (1880 – 1916). Ähnlich wie die Dichterinnen und Dichter versuchen die Malerinnen und Maler, nicht die Natur wiederzugeben, sondern seelische Empfindungen und subjektive Ideen mit Hilfe von Symbolen und Farbchiffren darzustellen. Die expressionistische Malerei wendet sich gegen die „Fratze der Wirklichkeit“ und will nicht das „Schmuckbedürfnis des bürgerlichen Haushaltes“ befriedigen. Kennzeichnend ist das Zusammengehörigkeitsgefühl der Expressionisten, nicht nur der Malerinnen und Maler, sondern auch der Literatinnen und Literaten. Sie bilden Vereinigungen, schreiben Programme und schaffen sich Sprachrohre: 1910 erscheint in Berlin die erste expressionistische Zeitschrift, Der Sturm. Weitere Zeitschriften sind Die Aktion und Der Brenner, der seit 1910 von Ludwig von Ficker (1880 – 1967) in Innsbruck herausgegeben wird. Daneben werden zahlreiche Anthologien1 und Gedichtbände mit bezeichnenden Titeln veröffentlicht: Der ewige Tag (Georg Heym), Der Aufbruch (Ernst Stadler) und Der Mensch schreit (Albert Ehrenstein). Das Ziel war die Formung der Erlebnisse der Intellektuellen in der Stadt. Kurt Hiller sagt dazu in einem Vortrag im Jahre 1911: Wassily Kandinsky (1866 – 1944), Trotzig, 1933. Vereinigung der Maler und Literaten 1 Anthologie: Sammlung verschiedener Texte (vor allem von Gedichten), meist von mehreren Autorinnen und Autoren, mit dem Ziel, einen Überblick über die Epoche oder eine Richtung zu geben Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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