254 muß ihn so sehr von ganzem Herzen lieben, – wie sich’s nicht sagen läßt! Man muß ihn lieben, Wendla, wie du in deinen Jahren noch gar nicht lieben kannst … Jetzt weißt du’s. WENDLA sich erhebend Großer – Gott – im Himmel! FRAU BERGMANN Jetzt weißt du, welche Prüfungen dir bevorstehen! WENDLA Und das ist alles? FRAU BERGMANN So wahr mir Gott helfe! [...] 2. Akt, 2. Szene 23. Diskutieren Sie, wie die Mutter hier mit dem Thema Sexualitä t umgeht: • Fassen Sie diese Stelle zusammen. • Zä hlen Sie die Begrü ndungen der Mutter fü r ihr Verhalten auf. • Beschreiben Sie die Strategien der Mutter, um Wendlas Fragen nicht beantworten zu mü ssen. • Stellen Sie Vermutungen an, welche Grü nde dahinterstecken kö nnten. • Erö rtern Sie, wie damit auch die Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts charakterisiert wird. 24. Setzen Sie sich mit dem Skandal, den dieses Drama hervorgerufen hat, kritisch auseinander: • Lesen Sie die weitere Entwicklung Wendlas und das Ende der Tragö die in einem seriösen Nachschlagwerk (z.B. einer Literaturgeschichte, einem Schauspielführer) nach. • Diskutieren Sie, aus welchen Gründen dieser Text wohl als skandalös empfunden wurde. • Fassen Sie nach einer Recherche die wesentlichen zeitgenössischen Kritikpunkte zusammen. • Kommentieren Sie diese Thematik aus heutiger Sicht. In der zweiten Phase des Expressionismus spielt neben der Lyrik das Drama eine wichtige Rolle. Es entstehen dramatische Skizzen und Einakter, aber auch einige bühnenwirksame, abendfüllende Dramen, zum Beispiel Die Bürger von Calais (1914) von Georg Kaiser (1878 – 1945), der darin den „neuen Menschen“ zeigt, welcher bereit ist, sich für andere zu opfern. Häufig sind im expressionistischen Drama die Szenen nur lose verknüpft und die Figuren typisiert, z. B. der Vater, der Sohn, die Tochter, das Weib, die Magd. Sie sind Träger von Ideen. Erzählende Dichtung des Expressionismus Die erzählerische Dichtung folgt den stilistischen Strömungen des Expressionismus. Der Text wird verknappt und temporeich erzählt. Prägnante Formulierungen und hastiger Stil prägen diese Werke. Beschauliche Betrachtung und psychologisierende Deutung stehen nicht im Mittelpunkt. Von einer Romanliteratur des Expressionismus kann man nur bedingt sprechen. Expressionistische Tendenzen lassen sich jedoch in vielen Werken des 20. Jahrhunderts nachweisen. Autoren wie Gottfried Benn, Franz Kafka und Alfred Döblin werden so zu Wegbereitern einer modernen Erzähltradition. Epische Kurzformen kommen dem Zeitstil entgegen, wenn auch verändert gegenüber der realistischen Tradition. In der Erzählung Das Schiff (1911) schildert Georg Heym (1887 – 1912), wie die Besatzung eines kleinen Frachtschiffes, das in der indonesischen Inselwelt kreuzt, an der Pest zugrunde geht: Georg Heym: Das Schiff (1911) Hinter dem Mastbaum stand etwas. Ein schwarzer Schatten. Jetzt kam es mit seinem schlürfenden Schritte über Deck. Jetzt stand es hinter dem Kajütendache1, jetzt kam es 35 Epische Kurzformen 1 Kajüte: Wohn- und Schlafraum auf Schiffen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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