VOM ERSTEN ZUM ZWEITEN WELTKRIEG | 1920 – 1945 265 4. Vergleichen Sie die Darstellungsweise Brechts mit einer herkömmlichen Theaterproduktion: • Erlä utern Sie, wie hier die Handlung vermittelt wird. • Analysieren Sie, welche Aufgabe der Sänger in diesem Textabschnitt übernimmt. • Stellen Sie den Sänger dem Chor in der antiken Tragödie und dem auktorialen Erzählverhalten in der Epik gegenüber. 5. Machen Sie Vorschlä ge, wie diese Szene in einem traditionellen Drama zu gestalten wä re: • Überprüfen Sie die Rolle des Sängers. • Gestalten Sie das Geschehen als Monolog der Protagonistin. Im epischen Drama treten die Schauspielerinnen und Schauspieler bisweilen aus ihren Rollen heraus, wie das folgende Beispiel zeigt: Der gute Mensch von Sezuan (1938 – 1940) Eine Straße in der Hauptstadt von Sezuan. Es ist Abend. Wang, der Wasserverkäufer, stellt sich dem Publikum vor. WANG: Ich bin Wasserverkäufer hier in der Hauptstadt von Sezuan. Mein Geschäft ist mühselig. Wenn es wenig Wasser gibt, muss ich weit danach laufen. Und gibt es viel, bin ich ohne Verdienst. Die Technik, dass sich Rollenträgerinnen und -träger dem Publikum bekannt machen, findet sich allerdings nicht nur bei Brecht, sondern schon in alten Passionsspielen und auch bei anderen modernen Autorinnen und Autoren, z. B. bei Jean Anouilh (1910 – 1987). In dem Stück Mutter Courage und ihre Kinder (1938), das mithelfen sollte, den drohenden Krieg in letzter Minute abzuwenden, erscheint vor Beginn jeder Szene als Verfremdungseffekt auf einem Zwischenvorhang eine Art Inhaltsangabe, eine Vorschau auf das kommende Geschehen: Frühjahr 1624. Der Feldhauptmann Oxenstjerna wirbt in Dalarne Truppen für den Feldzug in Polen. Der Marketenderin Anna Fierling, bekannt unter dem Namen Mutter Courage, kommt ein Sohn abhanden. 6. Kommentieren Sie, wie sich diese Technik auf die Zuschauerinnen und Zuschauer auswirken kann: • Erlä utern Sie mögliche Auswirkungen auf die Illusions- und Identifikationsbereitschaft der Zuschauerinnen/Zuschauer. • Diskutieren Sie, ob diese Technik das Publikum eher zum Nachdenken bringt als herkömmliches Theater. In manche seiner Stücke wie auch in diesem hat Brecht Songs (vgl. den Song Der Seeräuber-Jenny oder Träume eines Küchenmädchens S. 36) eingefügt, die in einer mehr oder weniger losen Beziehung zur Handlung stehen. Das Lied hat im epischen Theater mehrere Funktionen: 1. Es löst die dramatische Form auf. 2. Es unterbricht den Gang der Handlung. 3. E s hängt inhaltlich nicht direkt mit dem Fortgang der Handlung zusammen, verweist aber auf ein wichtiges Problem. 4. Es bewirkt einen Nachdenkprozess auf Seiten der Zuschauerinnen und Zuschauer. 5 Schauspielerinnen und Schauspieler als Rollenträgerinnen und Rollenträger Epische Elemente Verfremdung durch Songs Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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