282 Das öffentliche Klima hatte sich schon seit den 1920er Jahren verschärft, sodass sich bereits vor 1933 viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller gezwungen sahen, ins Exil zu gehen. Andere zogen es vor, das Land zu verlassen, da sie mit den politischen Entwicklungen nicht einverstanden waren. Die Zeit im Exil wurde durchaus unterschiedlich erlebt: Während es manchen gelang, im Ausland Fuß zu fassen, wie etwa Thomas (1875 – 1955) und Klaus Mann (1906 – 1949), Carl Zuckmayer (1896 – 1977), Bert Brecht (1898 – 1956), Franz Werfel (1890 – 1945) in den USA, Erich Fried (1921 – 1988), Theodor Kramer (1897 – 1958) in Großbritannien, Anna Seghers (1900 – 1983) in Mexiko etc., scheiterten andere an den Gegebenheiten und der Einschränkung ihrer Freiheit. Teilweise sahen sie keinen anderen Ausweg als Selbstmord, u. a. Stefan Zweig (1881 – 1942), Kurt Tucholsky (1890 – 1935), Walter Benjamin (1892 – 1940). Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten kam es zur direkten Verfolgung aus rassistischen und politischen Gründen. Im Mai 1933 wurden im ganzen Land öffentliche Bücherverbrennungen organisiert, bei denen Werke jüdischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller und solcher, die dem Regime ablehnend gegenüberstanden, vernichtet wurden. Eine Reihe von Autorinnen und Autoren kam in Konzentrationslagern und Gefängnissen um, z. B. Jura Soyfer (1912 – 1939). Im folgenden Gedicht schildert Theodor Kramer (1897 – 1958), wie die Situation von den Betroffenen empfunden wurde. Theodor Kramer: Wer läutet draußen an der Tür? (1939) Wer läutet draußen an der Tür, kaum daß es sich erhellt? Ich geh schon, Schatz. Der Bub hat nur die Semmeln hingestellt. Wer läutet draußen an der Tür? Bleib nur; ich geh, mein Kind. Es war ein Mann, der fragte an beim Nachbar, wer wir sind. Wer läutet draußen an der Tür? Laß ruhig die Wanne voll. Die Post war da; der Brief ist nicht dabei, der kommen soll. Wer läutet draußen an der Tür? Leg du die Betten aus. Der Hausbesorger war’s; wir solln am Ersten aus dem Haus. Wer läutet draußen an der Tür? Die Fuchsien blühn so nah. Pack, Liebste, mir mein Waschzeug ein und wein nicht: sie sind da. 22. Erlä utern Sie, wie die Situation der Festnahme hier – schrittweise aufgebaut – dargestellt wird: • Stellen Sie dar, wer das lyrische Ich ist und in welcher Situation es sich hier befindet. • Analysieren Sie, mit welchen Mitteln die zunehmend ausweglose Situation ausgedrü ckt wird. • Beschreiben Sie, welche Wendung sich am Schluss ergibt. • Erklären Sie, wie die Entwicklung ü ber die einzelnen Strophen hinweg dargestellt wird. Anna Seghers (1900 – 1983), eigentlich Netty Radvanyi, geb. Reiling, war auf Grund ihrer marxistischen Einstellung schon 1933 aus Deutschland nach Frankreich geflohen. Später emigrierte sie nach Mexiko, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Ihr Roman Das siebte Kreuz (abgeschlossen 1939) erzählt von sieben Häftlingen, die aus einem Konzentrationslager entfliehen. Einer der Flüchtlinge, Georg Heisler, die Hauptfigur des Textes, erlebt die Verfolgung in den verschiedensten Ausformungen. Schließlich gelingt ihm als Einzigem die Flucht. Die anderen Flüchtlinge werden entweder wieder gefangen genommen oder kommen ums Leben. Die Einlieferung von Heislers Fluchtgefährten Wallau, der die Flucht geplant hatte, löst unter den Mithäftlingen Bestürzung aus. Exilliteratur Verfolgung 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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