Killinger Literaturkunde, Schulbuch

VOM ERSTEN ZUM ZWEITEN WELTKRIEG | 1920 – 1945 283 23. Erschließen Sie die Gefühlslage der Häftlinge bei der Einlieferung Wallaus: • Fassen Sie die Geschehnisse zusammen. • Erklären Sie, wieso die Einlieferung Wallaus zu derart großer Erschütterung bei den Mithäftlingen führt. • Untersuchen Sie die Machtverschiebungen zwischen den verschiedenen Gruppen, die in diesem Abschnitt eine Rolle spielen. • Zeigen Sie auf, welche Kenntnisse über Konzentrationslager dieser Text bereits 1939 vermittelt. In Deutschland verbliebene Schriftsteller wie Stefan Andres (1906 – 1970), Gottfried Benn (1886 – 1956), Ricarda Huch (1864 – 1947), Reinhold Schneider (1903 – 1958), Werner Bergengruen (1892 – 1964) und Erich Kästner (1899 – 1974) zogen sich aus der Öffentlichkeit in die innere Emigration zurück, um so dem Druck des Propagandaministeriums standzuhalten. Andere sympathisierten offen mit dem Regime. Als Folge der restriktiven Kulturpolitik wurden viele wichtige Werke der Weltliteratur im Einflussbereich der Nationalsozialisten nicht rezipiert. Erst nach dem Krieg war eine Auseinandersetzung mit den internationalen literarischen Strömungen möglich. Stefan Zweig (1881 – 1942) Der aus dem Wiener Bürgertum stammende Stefan Zweig verfasste hauptsächlich stilistisch ausgefeilte erzählerische Texte, Novellen und Romane, in denen er in durchaus traditioneller, eher dem Realismus verpflichteten Form u. a. historische Ereignisse und die daran beteiligten Personen darstellte: Sternstunden der Menschheit (Novellensammlung, 1927 und 1943), Joseph Fouché (1929), Marie Antoinette (1932), Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam (1934), Maria Stuart (1935), Balzac (1946). Ungeduld des Herzens (1939) gilt als sein einziger Roman ohne historischen Hintergrund. Sein autobiographischer Text Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers (1942) beschreibt die Kultur und Gesellschaft von der ausgehenden Habsburger-Monarchie bis zu den Weltkriegen. Im Jahr 1934 emigrierte er zunächst nach London und schließlich nach Petropolis (Brasilien), wo er sich – erschöpft von seiner Flucht und tief gezeichnet vom Verlust seiner geistigen Heimat Europa – das Leben nahm. In einem seiner letzten Werke, Schachnovelle (1942), beschreibt der Ich-Erzähler das Aufeinandertreffen des Schachweltmeisters Mirko Centovic mit Dr. B., einem Wiener Anwalt, der seine Gestapohaft nur mit Hilfe eines Buchs über Schach überstanden hatte, indem er in Gedanken diverse Partien daraus nachspielte. Im folgenden Abschnitt wird das Ende der ersten Partie dieses Wettkampfs geschildert, dem Dr. B. jedoch schlussendlich aufgrund der Folgen seiner monatelangen Einzelhaft nicht gewachsen ist. Schachnovelle (1942) Sobald Dr. B. merkte, dass Czentovic den Springer fasste, um ihn vorzuziehen, duckte er sich zusammen wie eine Katze vor dem Ansprung. Sein ganzer Körper begann zu zittern, und kaum hatte Czentovic den Springerzug getan, schob er scharf die Dame vor, sagte laut triumphierend: „So! Erledigt!“, lehnte sich zurück, kreuzte die Arme über der Brust und sah mit herausforderndem Blick auf Czentovic. Ein heißes Licht glomm plötzlich in seiner Pupille. Unwillkürlich beugten wir uns über das Brett, um den so triumphierend angekündigten Zug zu verstehen. Auf den ersten Blick war keine direkte Bedrohung sichtbar. Die Äußerung unseres Freundes musste sich also auf eine Entwicklung beziehen, die wir kurzden- „Innere Emigration“ und Kooperation mit dem Regime 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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