Killinger Literaturkunde, Schulbuch

DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 289 In der unmittelbaren Nachkriegszeit gewannen literarische Zeitschriften zunächst an Bedeutung, da sie Publikationsmöglichkeiten besonders auch für die junge Generation der Schriftstellerinnen und Schriftsteller ermöglichten. Das Zusammenleben der Generationen gestaltete sich unproblematisch, ältere Schriftstellerinnen und Schriftsteller traten als Mentorinnen und Mentoren der jüngeren auf. Die junge Generation gewann im deutschen Sprachraum zunehmend an Anerkennung, was sich auch am Interesse der Gruppe 47 an Autorinnen und Autoren wie Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger und Paul Celan (1920 – 1970) zeigt, die 1952 zu einem Treffen eingeladen und ausgezeichnet wurden. Thematisch konzentrierten sich die literarischen Arbeiten einerseits auf die Anknüpfung an die Traditionen der Vorkriegszeit bzw. der Monarchie und auf die Behandlung der Erfahrungen in der Kriegszeit, andererseits wurden auch Zeiterscheinungen wie Kalter Krieg und Wirtschaftswunder behandelt. Die „Wiener Gruppe“ um H. C. Artmann (1921 – 2000) setzte durch ein besonderes Sprachbewusstsein und experimentelle Texte neue Akzente (vgl. S. 300). In den 1960er Jahren wurden Peter Handke (geb. 1942) und Thomas Bernhard (1931 – 1989) einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Beide setzen sich mit der bürgerlichen Gesellschaft der Zeit kritisch auseinander und provozieren gerne durch die verwendete Form und auch die Inhalte. Peter Handke erhielt 2019 den Nobelpreis für Literatur. In Graz tritt eine Schriftstellergruppe mit dem Namen Grazer Autoren Versammlung (GAV) in den Vordergrund, die im „Forum Stadtpark“ ihr Zentrum findet und der namhafte Autorinnen und Autoren um Alfred Kolleritsch (1931 – 2020), den Herausgeber der Literaturzeitschrift manuskripte, angehören (u. a. Wolfgang Bauer, Barbara Frischmuth, Peter Handke, Gerhard Roth). Um 1970 tritt Elfriede Jelinek (geb. 1946) auf den Plan und gehört seit dieser Zeit zu den wichtigsten österreichischen Schriftstellerinnen. Ihre Themen kreisen oft um die Identität der Frau, ihre Unterdrückung und ihr Selbstverständnis, andererseits zeugen ihre Texte von einem sehr hohen Sprachbewusstsein (vgl. S. 357 ff.). Im Jahr 2004 erhielt Elfriede Jelinek den Literatur-Nobelpreis. Parallel dazu erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff in Form einer neuen, kritischen bis satirischen Heimatliteratur. Die Tradition des Volksstücks wird ebenso kritisch weitergeführt. Zahlreiche Texte nicht nur lyrischer Art beschäftigen sich mit Sprachexperimenten und neuen Ausdrucksformen, eine Tradition, die sich aus den 1950er Jahren fortsetzt und u. a. mit Namen wie Ernst Jandl (1925 – 2000) und Gert Jonke (1946 – 2009) verbunden ist. Seit den 1980er Jahren erfolgt eine Hinwendung zur fiktionalen Bearbeitung von Stoffen auf der Basis von realen Ereignissen und historischen Fakten. Die Auseinandersetzung mit der österreichischen Vergangenheit, besonders durch Thomas Bernhard, prägte in dieser Zeit den literarischen Diskurs. Daneben konzentrierten sich viele Autorinnen und Autoren auf die Aufarbeitung ihrer eigenen Biographie, ihrer Herkunft, ihrer Familienbeziehungen. Der postmoderne Roman wird eine der gewählten Textformen. Überblick über die deutschsprachige Literatur in der Schweiz Die Schweiz blieb – isoliert von Deutschland – von den Verwerfungen und Bedrohungen der Kriegszeit verschont und diente für viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller als Zufluchtsort auf ihrem Weg ins Exil. Das Zürcher Schauspielhaus gewann in dieser Zeit eine hohe Bedeutung, da dort Werke aufgeführt werden konnten, die im Rest des deutschen Sprachraumes verboten waren und deren Verfasserinnen und Verfasser verfolgt wurden. Max Frisch (1911 – 1991) und Friedrich Dürrenmatt (1921 – 1990) traten in der Nachkriegszeit hervor und dominierten über Jahrzehnte das Literaturgeschehen (vgl. S. 310). Die bevorzugten Themen waren die Zeitereignisse der 1950er, 1960er und 1970er Jahre, wobei häufig die spezielle Situation der Schweiz mit ihrer kleinstaatlichen Charakteristik thematisiert wurde. Bedeutung literarischer Zeitschriften Anknüpfung an Traditionen und aktuelle Zeiterscheinungen Sprachexperimente und Provokation Auseinandersetzung mit historischen Fakten Bedeutung in Zeiten des Exils Aktuelle Zeitereignisse Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==