Killinger Literaturkunde, Schulbuch

290 STILFORMEN DER DEUTSCHEN LYRIK NATURMAGISCHES GEDICHT Auch nach dem Zweiten Weltkrieg suchte man in dem allgemeinen Chaos, das der Krieg hinterlassen hatte, nach einem Halt und fand ihn im „Bleibenden“ und „Dauernden“, in der Natur. Ein neuer Sinn für das objektiv Wahrnehmbare, für die präzise Landschaftsschilderung erwachte. Das lyrische Ich trat weitgehend zurück. Bedeutende Verfasser dieser naturmagischen Gedichte waren Wilhelm Lehmann, Georg Britting, Peter Huchel, Günter Eich (siehe Neue Sachlichkeit) sowie Karl Krolow (1915 – 1999) und Johannes Bobrowski (1917 – 1965). Peter Huchel: Chausseen (1950) Erwürgte Abendröte Stürzender Zeit! Chausseen. Chausseen1. Kreuzwege der Flucht. Wagenspuren über den Acker, Der mit den Augen Erschlagener Pferde Den brennenden Himmel sah. Nächte mit Lungen voll Rauch, Mit hartem Atem der Fliehenden, Wenn Schüsse Auf die Dämmerung schlugen. Aus zerbrochenem Tor Trat lautlos Asche und Wind, Ein Feuer, Das mürrisch das Dunkel kaute. Tote, Über die Gleise geschleudert, Den erstickten Schrei Wie einen Stein am Gaumen. Ein schwarzes Summendes Tuch aus Fliegen Schloss ihre Wunden. 1. Setzen Sie sich damit auseinander, wie Peter Huchel in diesem Text die Zerstörung durch den Krieg darstellt: • Beschreiben Sie die Situation, die in diesem Text dargestellt wird, mit eigenen Worten. • Stellen Sie fest, welche Wortarten in diesem Text zur Wirkung des Gedichtes beitragen. • Vergleichen Sie diese Analyse mit der Form der Aussagen, die Sie getroffen haben. • Diskutieren Sie den Umstand, dass keine Täter bzw. Täterinnen genannt werden. Günter Eich: Ende eines Sommers (1955) Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume! Wie gut, dass sie am Sterben teilhaben! Die Pfirsiche sind geerntet, die Pflaumen färben sich, während unter dem Brückenbogen die Zeit rauscht. Dem Vogelzug vertraue ich meine Verzweiflung an. Er misst seinen Teil von Ewigkeit gelassen ab. Seine Strecken Natur als Ausgleich zur Realität 2 1 Chausseen: mit fester Fahrbahndecke versehene Landstraßen, meist geplant und eher geradlinig verlaufend 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 2 4 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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