DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 325 WEYGANG: Mit Nora werde ich noch im hohen Alter zusammen sein, Philemon und Baucis1. MINISTER: Im hohen Alter möchte ich ganz bestimmt nicht mit ihr zusammen sein. WEYGANG: Allerdings dauert nach meinen Erfahrungen selbst die größte Leidenschaft nur eine kurze Dauer. Wenn Sie warten, bis meine größte Leidenschaft abgeklungen ist, kriegen Sie sie. MINISTER: Abgemacht. 44. Beziehen Sie sich auf beide Stucke und kommentieren Sie die Darstellung der Frau als Objekt, das zum Ziel des mannlichen Interesses wird: • Diskutieren Sie in der Gruppe, inwieweit Henrik Ibsen und Elfriede Jelinek die heutige Wirklichkeit treffen. • Kommentieren Sie, wie im jeweiligen Stück über Frauen gesprochen wird, und versuchen Sie, Grunde dafur zu finden. THEATER DER POSTMODERNE Das postmoderne Drama ist durch eine Abkehr von traditionellen Mustern und deren Auflösung gekennzeichnet. Die Figuren sind keine Helden, die sich in ihren Entscheidungen einer moralischen Kategorisierung stellen, sondern sind in ihrer Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt, leiden unter Geschichtslosigkeit und sind ihrem Schicksal ohnmächtig ausgeliefert. Die szenische Ordnung weicht einer Reihe von gleichberechtigten Bildern. Der Text ist neben Musik und visuellen Elementen, Tanz und Gestik nur noch eine Teilkomponente der Darstellung. Häufig werden multimediale Elemente eingesetzt (z. B. Videos), deren Projektionsfläche die Bühne wird. Die „Handlung“, die bisher in Monolog und Dialog linear entwickelt wurde, wird durch sprachlich, klanglich und visuell gestaltete Bilder ersetzt, die ihre Wirkung erst im Spiel entfalten. Typische Vertreter dieser Strömung sind Thomas Bernhard (1931 – 1989), Botho Strauß (geb. 1944) und Peter Handke. Das dramatische Gedicht Über die Dörfer (1982) von Peter Handke ist kein Drama im üblichen Sinn, sondern ein eher statisches Weihespiel mit klassischen Zügen. Der Bauarbeiter Hans sieht keine andere Zukunft für den Menschen als einen totalen Krieg: Peter Handke: Über die Dörfer (1982) Es ist ein Triumph, verloren zu gehen. Hört die Laute des krepierenden Hundes. Sein richtiger Name ist „Langes Ende“, und sein Tauf-Name soll vergessen werden. Endlich das Wort: es heißt „Krieg“, es war das Wort am Anfang, und es soll das Schlusswort sein. Welch eine Begeisterung, für immer unversöhnlich zu sein. Soll alles zugrunde gehen. Sein Bruder Georg, von dem die Schwester sagt: „Du siehst sofort jedes Elend“, erklärt: Die Welt widert mich an. Es ist nicht schade um mich. Es ist nicht schade um uns Menschen [...] Wir haben alle diesen Platz verspielt. 1 Philemon und Baucis: Gestalten der griech. Mythologie, Sinnbilder für ein in Eintracht lebendes Ehepaar im Greisenalter 90 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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