Killinger Literaturkunde, Schülerband

356 In seiner deftigen Parodie auf den Heimatroman Aus dem Leben Hödlmosers. Ein steirischer Roman mit Regie (1973) verwendet Reinhard P. Gruber (geb. 1947) verschiedene Verfahrensweisen, z.B. eine pseudowissenschaftliche Sprache mit „Excursen, Definitionen, typologischen Gliederungen, psychoanalytischen Deutungen“. Schreibweise und Wortwahl sind Beispiele für Verfremdung, die bewusste Durchbrechung literarischer Gewohnheiten. Damit wird besondere Aufmerksamkeit und eine satirische Wirkung erzielt. Reinhard P. Gruber: Aus dem Leben Hödlmosers (1973) der steireranzug „an seinem anzug magst du den steirer erkennen.“ neben anderen merkmalen unterscheidet den steirer vom anderen menschen der steireranzug. er ist so HERRLICH wie sein land. der steireranzug hat vor allem für den anderen menschen große bedeutung; an ihm erkennt er den steirer. es ist zwar zuzugeben, dass der steirer seinen siegeszug durch die welt mit dem steireranzug an seinem STEIRISCHEN KÖRPER angetreten hat – deswegen hat schließlich auch der steireranzug seinen siegeszug durch die welt angetreten –, doch ist der steireranzug heute schon so profaniert1 worden, dass er ohne allgemeine rechtsfolgen auch schon von nichtsteirern getragen werden darf. sogar bei der letztjährigen sozialistischen internationale soll er schon gesehen worden sein. vor dem betreten der steiermark durch nichtsteirische typen, deren körper vom steireranzug bedeckt wird, ist jedoch abzuraten. […] das steirische JODELN definition: JODELN ist die mittels steirischer menschlicher stimmbänder in zeitlupe übersetzte sprache der steirischen vögel. besonders der kernsteirer versteht es sehr gut zu jodeln; das ist auch nicht verwunderlich, stammt er doch aus dem steirischen obstgebiet, auf dessen obstbäumen sich alle singvögel gerne niederlassen, um von dort mit dem kernsteirer zu sprechen. („… i bin a steirerbua – und hob a kernnatur …“). da der steirer eine gute merkgabe hat, jodelt und singt er so schön wie kein anderer mensch; deshalb ist die steiermark auch das land der schönsten volkslieder in der ganzen welt. DIE STEIRISCHE LIEBESGESCHICHTE an einem strahlenden aprilmorgen des jahres 1966 steht hödlmoser brunftig wie ein hirsch von seinem harten bett auf. des nachts hat er sich öfters unruhig umhergewälzt. er wäscht seinen ganzen körper mit dem quellklaren, eiskalten brunnenwasser, was auch seine selige mutter, die alte hödlmoserin, öfters mit ihm gemacht hat. schnell treibt er noch sein rindvieh auf die wiese, und dann trinkt er zum frühstück 2 krügel most. nachdem er auch noch ein schweres stück speck gegessen hat, treibt ihn die brunft fort von seinem einsamen hof. Verfremdung 5 1 profaniert: entweiht, entwürdigt 10 5 5 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA2NTcyMQ==