Killinger Literaturkunde, Schülerband

DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 363 • Kritik an Manipulation von Sprache und Geschichtsschreibung im Interesse von Ideologieträgern • oft ironisch-distanzierte Sprachgestaltung • I ntertextualität: Postmoderne Autorinnen und Autoren verarbeiten in ihren Romanen oft ältere, bekannte Texte, die sie neu anordnen, collageartig montieren, persiflieren bzw. auf sie anspielen. • Thematisierung des Schreibprozesses Thomas Bernhard (1931 – 1989) gehört zu den herausragenden österreichischen Autoren des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Fast sein gesamtes umfangreiches Werk handelt von der Unvermeidlichkeit des Scheiterns. Frost (1963), Verstörung (1967), Die Kälte. Eine Isolation (1981), Der Untergeher (1983), Holzfällen (1984), Auslöschung. Ein Zerfall (1986) – so lauten symptomatisch die Titel einiger seiner Prosawerke. Begonnen hat er mit düsterer Lyrik und kurzen erzählenden und dramatischen Texten. In seiner mittleren Schaffenszeit hat er vor allem Romane und Erzählungen geschrieben, in seinen letzten knapp zwei Jahrzehnten überwiegend Theaterstücke. Mit seiner eigenen Kindheit und Jugend hat sich Bernhard in fünf autobiographischen Werken beschäftigt. Sie schildern den Leidensweg eines Verletzten und Gedemütigten, der sich mit bitteren Anklagen und Beschuldigungen für die ihm zugefügten Kränkungen rächt. Die Hauptfiguren in Bernhards Romanen sind außerordentliche Persönlichkeiten, „Geistesmenschen“, für die das Leben ein Gefängnis, eine Krankheit, eine immerwährende Katastrophe ist. Sie scheitern alle, weil sie in dieser chaotischen, verstörenden und zerstörten Welt scheitern müssen. Bernhard versteht sich als „Antierzähler“, als Verweigerer der Erzähltradition. Er will keine spannenden und keine zu Herzen gehenden Geschichten schreiben, sondern provozieren und zum Nachdenken anregen. Geschichten hasse ich im Grund. Ich bin ein Geschichtenzerstörer. Kennzeichnend für Bernhards gesamtes Werk ist das Stilmittel der Wiederholung. Die Texte bestehen aus häufig verwendeten Sätzen und Wortgruppen, die nur wenig variieren. Hier ein Beispiel aus Gehen (1971): Thomas Bernhard im Winter 1957/58 am Tonhof in Maria Saal. Eine böse Welt Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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