Killinger Literaturkunde, Schulbuch

DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 369 81. Untersuchen Sie die emotionale Befindlichkeit der Hauptperson Helene: • Beschreiben Sie, wie sie zu den Annaherungsversuchen ihres fruheren Freundes Alex steht. • Analysieren Sie, mit welchen Mitteln ihre Befindlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. In ihrem literarischen Groschenroman Lisa’s Liebe (1997) erlebt die Hauptperson, die Volksschullehrerin Lisa, verschiedenste „Liebesgeschichten“, die sie jedoch immer wieder vereinsamt zurücklassen. Ihrer großen Liebe, dem Arzt Dr. Adrian, kommt sie nicht nahe. Marlene Streeruwitz: Lisa's Liebe (1997) LISA hatte dann bei Ebner geläutet und „ich“ in die Sprechanlage gesagt. Ebner küßte Lisa an seiner Wohnungstür auf die Wange und eilte in die Küche zurück. Er hatte eine große weiße Schürze umgebunden und gab ihr gleich ein Glas Weißwein zur Begrüßung. Lisa stand an die Küchentür gelehnt und sah Ebner beim Kochen zu. Er legte die Steaks in das heiße Öl und prostete ihr zu. Lisa trank schnell. Sie war nervös. Ebner goß Rotwein in die Pfanne. [...] Ebner goß die Saucen kunstvoll um die Steaks auf die vorgewärmten Teller. Lisa trug die Teller zum Tisch. Ebner zog die Schürze aus. Der Tisch war perfekt gedeckt. Pokale auf langen Stielen und Silberbesteck auf weißem Damast. Lisa stellte die Teller mit den Steaks auf die silbernen Platzteller. Es sah sehr elegant aus. Ebner brachte den Rot wein. Während des Eingießens begann er von Spanien zu schwärmen. Und daß sie es kennenlernen müßte. Lisa hätte ihm gleich sagen sollen, wie gut sie Spanien kannte. Aber dazu war es zu spät. Lisa hörte Ebner zu, was er über Spanien sagte, als erführe sie das alles eben erst. Ebner schenkte sich Wein ein und kostete. Mit kleinen schlürfenden Geräuschen sog er den Wein ein und schmatzte, nachdem er den Wein geschluckt hatte. Dann seufzte er begeistert. „Das wird dir schmecken“, sagte er zu Lisa und schenkte ihr ein. Sie saßen einander gegenüber und tranken einander zu. „Vielen Dank für die Einladung“, sagte Lisa. Sie lächelten einander an. „Ich möchte nicht, daß du das als Einladung siehst“, sagte er. „Als was denn?“ fragte sie. Ebner sagte, „Ich möchte, daß du ...“ Er griff über den Tisch nach ihrer Hand und warf sein Glas um. Der Rotwein wurde aus dem Glas auf den Boden geschleudert. Ein länglicher Fleck erschien auf dem weißen flauschigen Teppichboden. 82. Vergleichen Sie die beiden Textabschnitte von Marlene Streeruwitz: • Arbeiten Sie Ähnlichkeiten und Unterschiede im Stil heraus. • Stellen Sie die beiden Handlungen einander gegenüber. 83. Beschreiben Sie, wie die Gemutslage der Hauptperson dargestellt wird. Thomas Glavinic (geb. 1972) beschäftigt sich in seinen Romanen mit existenziellen Dingen wie Einsamkeit, Angst und Tod. Seine Romane beruhen laut eigener Aussage vielfach auf Albträumen, die ihn zu seinen Texten inspirieren. Dabei werden alltägliche Situationen konsequent weitergedacht, bis sie zu einer beängstigenden Falle für die Leserinnen und Leser werden. Während in seinem Text Die Arbeit der Nacht (2006) der Protagonist aufwacht und sich als letztes Lebewesen auf der Erde wiederfindet, thematisiert Glavinic in seinem Roman Der Kameramörder (2001) den Umgang mit den Medien und ihre Wirkung auf die Gesellschaft. Die Hauptfigur bedient sich dabei einer besonderen, sensationslustigen Sprache, die von der Doppelbödigkeit des Bedauerns über die Vorfälle einerseits und der damit verborgenen Sensationslust andererseits getragen wird. Vordergründig erscheint der Text als Kritik an den Medien und ihrem Umgang mit Sensationen, jedoch wird sehr bald klar, dass die Hauptpersonen, zwei Paare, die an einem Osterwochenende das Geschehen um die Entdeckung eines grauenhaften Verbrechens verfolgen, ebenso dafür verantwortlich sind, wie mit furchtbaren Ereignissen umgegangen wird. 5 10 15 20 Alltägliche Situationen als beängstigende Fallen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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