374 Kathrin Röggla: wir schlafen nicht (2004) der senior associate: er denke dexedrin, also keine hexerei. mit dexedrin werde so was leicht gemacht, oder ephedrin, so vom wirkstoff her. captagon habe man das früher genannt, und heute werde es wohl auch noch so heißen, so vom markennamen her, wachmacher eben, amphetamine. er habe das zeug gar nicht genommen, wie gesagt, er brauche das ja nicht mehr, das laufe bei ihm rein über den adrenalinspiegel ab. der it-supporter: also kollegen hätten sich das gesicht gewaschen, kollegen hätten frischluft geschnappt, sie hätten red bull getrunken, auch kaffee verhindere in gewisser weise den schlaf, er schaffe das ohne. er brauche das nicht. er könne mittlerweile trinken, was er wolle, er merke das nicht mehr. die online-redakteurin: alleine der alkohol halte einen wach. sie habe es ja schon eingangs erwähnt. hier ein sektchen, da ein sektchen, da werde kein unterschied gemacht: ein sektchen gebe es überall. und die folge davon sei ein ständig aufgekratzter zustand. und sonst? sie glaube, das sei wie bei den delphinen, „irgendein teil bleibt immer in dir wach, damit die atmung funktioniert, damit die flüssigkeit, die dich notwendigerweise umgibt, nicht die oberhand gewinnt. ja, von irgendwo muß sauerstoff her, aber es gibt auch eine atmung in dir, die gibt sich mit sauerstoff alleine nicht zufrieden.“ der partner: wie lange er schon auf den beinen sei? könne er jetzt nicht sagen, er wisse das längst nicht mehr. also er zähle die stunden jetzt nicht, und von tagen könne man hier in diesem rahmen nun wirklich nicht mehr sprechen. die key account managerin: „also ich emfind’s nicht als belastend.“ der senior associate: trotzdem würde er sagen: ein adrenalinjunkie sei er nicht – die key account managerin: „also ich komme damit klar.“ die key account managerin: nein, man habe sich nicht abgesprochen, so was ergebe sich eher. „ich meine, das ist ja klar“, daß man sich so gegenseitig in stimmungen hochputsche, man halte sich eben gegenseitig wach. aber das laufe ganz subkutan ab, das sei jetzt nicht so geplant, das sei die logik, in die man sich begebe, wenn man auf eine messe wie diese hier gehe. * – das haben sie gesagt! nein, er würde das nicht so bezeichnen. – auch das haben sie gesagt! der partner: nein, für ihn sei das im prinzip kein ausnahmezustand, das sei mehr der normalzustand, also als experiment könne man das schon aus diesem grund nicht bezeichnen. auch würde er da vorsichtiger vorgehen mit solchen annahmen. die key account managerin: so außergewöhnlich sei das nun auch nicht. also von der heiligkeit des schlafes könne ja doch nicht mehr die rede sein. „wer von der heiligkeit des schlafes spricht, hat die letzten zwanzig jahre verpennt. was wurde da alles schon versucht!“ außerdem: im militärischen kontext würden noch ganz andere dinge gemacht, und wen wundere es, wenn man sich jetzt sage: „wenn das soldaten dürfen, warum nicht auch wir?“ der partner: er habe auch über diese experimente gelesen, diese schlafentzugsexperimente, die man, so glaube er, schon in den 60ern gemacht habe. das habe also schon lange tradition. aber das sei hier ja wirklich kein experiment im engeren sinn, so könne man das nun wirklich nicht bezeichnen – 5 10 15 20 25 30 35 40 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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