Killinger Literaturkunde, Schülerband

DEUTSCHSPRACHIGE LITERATUR NACH 1945 375 die online-redakteurin: alleine der alkohol halte einen wach. sie habe es ja schon eingangs erwähnt. hier ein sektchen, da ein sektchen, da werde kein unterschied gemacht: ein sektchen gebe es überall. und die folge davon sei ein ständig aufgekratzter zustand. und sonst? sie glaube, das sei wie bei den delphinen, „irgendein teil bleibt immer in dir wach, damit die atmung funktioniert, damit die flüssigkeit, die dich notwendigerweise umgibt, nicht die oberhand gewinnt. ja, von irgendwo muß sauerstoff her, aber es gibt auch eine atmung in dir, die gibt sich mit sauerstoff alleine nicht zufrieden.“ der partner: wie lange er schon auf den beinen sei? könne er jetzt nicht sagen, er wisse das längst nicht mehr. also er zähle die stunden jetzt nicht, und von tagen könne man hier in diesem rahmen nun wirklich nicht mehr sprechen. die key account managerin: „also ich emfind’s nicht als belastend.“ der senior associate: trotzdem würde er sagen: ein adrenalinjunkie sei er nicht – die key account managerin: „also ich komme damit klar.“ die key account managerin: nein, man habe sich nicht abgesprochen, so was ergebe sich eher. „ich meine, das ist ja klar“, daß man sich so gegenseitig in stimmungen hochputsche, man halte sich eben gegenseitig wach. aber das laufe ganz subkutan ab, das sei jetzt nicht so geplant, das sei die logik, in die man sich begebe, wenn man auf eine messe wie diese hier gehe. * – das haben sie gesagt! nein, er würde das nicht so bezeichnen. – auch das haben sie gesagt! der partner: nein, für ihn sei das im prinzip kein ausnahmezustand, das sei mehr der normalzustand, also als experiment könne man das schon aus diesem grund nicht bezeichnen. auch würde er da vorsichtiger vorgehen mit solchen annahmen. die key account managerin: so außergewöhnlich sei das nun auch nicht. also von der heiligkeit des schlafes könne ja doch nicht mehr die rede sein. „wer von der heiligkeit des schlafes spricht, hat die letzten zwanzig jahre verpennt. was wurde da alles schon versucht!“ außerdem: im militärischen kontext würden noch ganz andere dinge gemacht, und wen wundere es, wenn man sich jetzt sage: „wenn das soldaten dürfen, warum nicht auch wir?“ der partner: er habe auch über diese experimente gelesen, diese schlafentzugsexperimente, die man, so glaube er, schon in den 60ern gemacht habe. das habe also schon lange tradition. aber das sei hier ja wirklich kein experiment im engeren sinn, so könne man das nun wirklich nicht bezeichnen – der partner: nein, man sei hier auch nicht ausgewählt worden, er habe sich frei dazu entschlossen, hier zu sein. „sehen sie, ich glaube, ich muß sie von einer vorstellung befreien, die sie anscheinend verfolgt: das ist keine heimliche verabredung, die wir getroffen haben.“ das sei so eine phantasie aus den – na, er würde fast sagen: 70er jahren. der senior associate: warum er hier ausgewählt worden sei? ja, warum er hier ausgewählt worden sei? sei er hier ausgewählt worden? er erinnere sich nicht daran. wahrscheinlich liege es an seinem leistungsprofil. und dann werde es wohl bekannt sein, daß er ohnehin kaum mehr schlafe, ach, letztendlich werde man doch immer ausgewählt. „ich meine, du hast uns doch ausgewählt!“ der partner: noch mal, er sei hier nicht ausgewählt worden, er habe sich selbst dazu entschlossen. „und wenn ich ausgewählt worden wäre, würden sie das doch sicher am besten wissen, warum, oder irre ich mich?“ jedenfalls sei es seine entscheidung gewesen, hier zu sein. 15 20 25 30 35 40 45 50 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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