384 101. Untersuchen Sie den vorliegenden Abschnitt aus Teresa Praauers Roman Johnny und Jean: • Beschreiben Sie die Erzahlfigur mit moglichst vielen Details. • Stellen Sie die Lebenseinstellung und die Befindlichkeit der Erzahlfigur dar. • Erlautern Sie mögliche Zusammenhänge zwischen Autorin und Erzahlfigur. Der Grazer Autor Clemens J. Setz (geb. 1982) verfasst u. a. Gedichte, Theaterstücke und vor allem Romane (Indigo 2012, Die Stunde zwischen Frau und Gitarre 2015, Die Bienen und das Unsichtbare 2020). Im folgenden Abschnitt aus seiner Erzählung Die Waage (veröffentlicht 2011) greift er die Alltagssituation eines Ehemannes auf, der schlussendlich an den Umständen seines Lebens und seiner Umgebung zu scheitern droht. Clemens J. Setz: Die Waage (2011) Das Treppenhauslicht ging aus, und Daniel stand in vollkommener Dunkelheit vor einer Wohnungstür im vierten Stock. Die Musik, die aus der Wohnung dröhnte, klang in dem nackten, fensterlosen Korridor hart und unveränderlich. Daniel schaltete das Licht wieder ein; er musste sich weit vorlehnen, um den Lichtschalter zu erreichen. Das Türschild, auf das Daniel zuletzt gestarrt hatte, erschien wieder und hieß genauso wie vorher, Gerd & Elfriede Kaiser. Daniel stand eine Weile da und hörte zu, wie sich die Musik in einen weiteren epileptischen Anfall hineinsteigerte – dann ließ er sich von seinen Füßen umdrehen und ging die Treppe hinunter, zurück in die Wohnung. – Und? – Ich hab’s ihnen gesagt, sagte Daniel. Er bückte sich und zog sich die Schuhe aus. Seine Frau ging sofort ins Schlafzimmer. – Keine Spur leiser, rief sie von dort. – Was? Daniel legte die Kleider ab, die er über seinen Pyjama angezogen hatte. Rita kam aus dem Schlafzimmer zurück. – Nicht der geringste Unterschied, sagte sie. – Mehr als es ihnen sagen kann ich nicht. – Und was genau hast du gesagt? – Dass sie die Musik leiser stellen sollen, sagte er. Weil hier Leute wohnen, die schlafen möchten. – Und? – Also der Mann, der aufgemacht hat, hat einfach nur genickt und die Tür wieder geschlossen. Aber nicht unfreundlich. Es hat zumindest nicht so ausgesehen, als würde er mich verarschen oder ignorieren oder ... Vielleicht will er sich nur das eine Lied noch zu Ende anhören. – Es ist halb zwei! – Ja, ich weiß. – Außerdem hört der keine Lieder, sagte sie, das ist irgend so eine endlose Technoscheiße. – Ach, das kommt uns hier unten wahrscheinlich nur so vor, sagte Daniel. Er fragte sich, ob er rot geworden war. Sein Gesicht fühlte sich heiß an. Er versuchte, Rita nicht anzusehen. – Weißt du was?, sagte sie. Der da oben schert sich einen Dreck um das, was du ihm gesagt hast! – Kann sein. Ich habe getan, was ich konnte, sagte er und ging an Rita vorbei ins Badezimmer. 5 10 15 20 25 30 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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