386 »Die Simulationen«, setzte ich noch einmal neu an, »sind eine Vorwegnahme jener Zukunft, in der DAVE selbsttätig über die SCRIPTs hinausgehen und Bewusstsein entwickeln wird. Er wird uns wie Kinder an der Hand nehmen, beinahe wie ein Gott nur viel besser, weil es ihn wirklich gibt.« Parallel dazu hat sich Daniel Kehlmann (geb. 1975 in München) in einem Experiment mit künstlicher Intelligenz beschäftigt und seine Erfahrungen damit in seinem Text Mein Algorithmus und ich (Stuttgarter Zukunftsrede, 2021) geschildert. Darin beschreibt er, wie Algorithmen eingesetzt werden, um menschliche Intelligenz vorzutäuschen: Daniel Kehlmann: Mein Algorithmus und ich (2021) Prädiktiv Algorithmen scheinen die Dinge zu verstehen, aber eigentlich treffen sie Voraussagen. Das ist kein triviales Detail: Man kann ein Problem durch Einsicht lösen oder durch eine Wahrscheinlichkeitsabschätzung zukünftiger Ereignisse. Fragt man zum Beispiel jemanden nach dem kürzesten Weg nach Hause, so könnte einem diese Person nun den Weg beschreiben, den man nehmen soll. Oder aber sie macht eine Voraussage darüber, welchen Weg ein kompetenter Ortskundiger nehmen wird. Beides ergibt den gleichen Weg, aber doch sind es zwei unterschiedliche Lösungsverfahren. Wenn ich Ihnen einen Text zum Übersetzen gebe, so könnten Sie diesen lesen und verstehen und in eine andere Sprache übertragen. Oder aber Sie haben wirklich viele Daten statistisch erfasst, denn in diesem Fall könnten Sie einfach eine Voraussage machen, welche Übersetzung jemand, der die Sprache – im Unterschied zu Ihnen – beherrscht, Ihnen anbieten wird. Die Daten, aufgrund derer Sie diese Voraussage machen, sind natürlich Abermillionen von Übersetzungen anderer Texte durch andere Leute, das heißt: Ohne die Arbeit von menschlichen Übersetzern, die die Sprache tatsächlich verstehen, ginge das nicht. Aber der prädiktive Algorithmus, der diese menschliche Arbeit per statistischer Auswertung nutzt, der braucht die Sprache nicht zu verstehen, er hat weder Wörterbücher noch Grammatikregeln zur Hand, und er hat keine Ahnung, was das von ihm vorgeschlagene Ergebnis bedeutet, ja mehr noch: Er wüsste nicht einmal, was das sein soll, »Bedeutung« oder »Ahnung«. 103. Setzen Sie sich mit diesen beiden Texten auseinander: • Analysieren Sie die beiden vorliegenden Texte und arbeiten Sie die Unterschiede heraus. • Erlautern Sie den Zweck, den die Schriftstellerin und der Schriftsteller verfolgen. • Diskutieren Sie, welche Folgen die zunehmende Digitalisierung des (kunstlerischen) Lebens mit sich bringt. 35 5 10 15 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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