401 Stefan Horvath: Katzenstreu (2007) Um vier Uhr morgens saß ich in der Küche, und wie aus dem Nichts war er da, der Titel für das nächste Buch. Ein unverständlicher Titel – „Katzenstreu“ klingt nicht gerade aufregend. Aber im Kopf setzte sich diese Katzenstreu fest, obwohl sich in mir irgendetwas dagegen wehrte. Ich konnte den Titel in keinen Zusammenhang bringen. Eine Woche später hatte ich eine Lesung in Mattersburg, und im Burgenland fiel für Oktober außergewöhnlich viel Schnee. Meine Begleiterin, die mich zur Lesung chauffierte, hatte noch Sommerreifen montiert, und so wurde die Heimfahrt zu einem stundenlangen Spießroutenlauf. Für die achtzig Kilometer waren wir beinahe drei Stunden unterwegs. Ich war sehr schweigsam, bis mich das junge Romamädchen fragte, warum ich nicht reden wolle. Ich erzählte ihr vom Titel des neuen Buches, erzählte ihr von Katzenstreu und dass ich nicht wüsste, warum mir gerade dieser Titel eingefallen sei. Das Romamädchen antwortete, dass der Sockel der Bombe von 1995 aus einem Katzenklo gefertigt worden war. Das Mädchen war damals dreizehn Jahre alt gewesen. Dieses Drama hatte mich also acht Jahre später eingeholt, und jetzt wusste ich auch, dass ich meinem Schicksal nicht davon laufen konnte. Und mir war auch klar, dass ich dieses Drama nur in einer für mich außergewöhnlichen Form aufarbeiten konnte, und dass dieses Buch mit dem Titel „Katzenstreu“ kein normales Buch sein konnte. Daher war meine Überlegung, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, um den damaligen Ereignissen möglichst nahe zu kommen. 10. Erörtern Sie die Beweggrunde, warum Stefan Horvath zum Schriftsteller geworden ist: • Erklaren Sie die Motivation, die Stefan Horvath zum Schreiben animiert hat. • Erlautern Sie die Situation, die zu dem Titel der Erzahlung gefuhrt hat. • Stellen Sie Überlegungen an, welche Möglichkeiten diese Erzählweise bietet, wenn die Erzählperson in die Rollen der verschiedenen handelnden Personen schlüpft. Ilija Jovanovic´ (1950 – 2010) beschreibt in seiner Lyrik die Lebenssituation der Volksgruppe, besonders die Erfahrung des Ausgestoßenseins und der Verfolgung. Elfriede Jelinek schreibt in ihrem Text Die Fahrenden, flüchtig zu den Gedichten Ilija Jovanovic´s: Es gibt Dinge, die man, sind sie aus einer Packung herausgeschüttet worden, nicht mehr wieder dorthin hineinkriegen kann (bei Flüssigkeiten funktioniert das überhaupt nie). Ich weiß nicht, wie ein Rom, eine Romni ihr Zuhause definieren, ob da, auch wenn sie seßhaft sind, die Roma, nicht diese Fremdheit bleibt, dieses Gefühl, zwar gesammelt zu sein als ein Volk, aber nirgendwohin wieder zurückgeräumt werden zu können, was aber ständig von diesem Volk verlangt wird. (Hinweis: Die Rechtschreibung des Originaltextes wurde beibehalten) Svako drom (o. J.) Svako drom kana o djes nevo bijandol thaj barol dav me leja svato ande mori phaderdi njamcicko chib. Jedes Mal wenn der Tag neu geboren wird und zu wachsen beginnt spreche ich mit ihm in meinem gebrochenen Deutsch. 5 10 15 5 5 5 INTERKULTURELLE LITERATUR Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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