Killinger Literaturkunde, Schulbuch

405 Die in St. Petersburg geborene Julya Rabinowich (geb. 1970) kam als Volksschulkind nach Wien und ist heute eine weithin anerkannte österreichische Autorin. Der Herausforderung der neuen deutschen Sprache stellte sie sich mit vollem Ehrgeiz, bis sie Klassenbeste wurde. Ihre Sprachgeschichte schildert sie so: Deutsch konnte ich kaum, aber mit großer Anstrengung habe ich das Jahr trotzdem geschafft. Dann habe ich beschlossen, perfekt Deutsch zu lernen, weil ich bemerkt habe, dass ich zusammen mit den Türken und Jugoslawen das absolute Schlusslicht in der Rangordnung innerhalb der Klasse eingenommen habe. Ich habe mir überlegt, was wir gemeinsam hatten. Neben der schlechteren Kleidung hatten wir alle Probleme mit der deutschen Sprache. Dass ich mir keine bessere Kleidung leisten konnte, war mir klar. Deshalb wollte ich wenigstens alles tun, was ich selbst beeinflussen konnte, um mich an die deutschsprachigen Kinder anzupassen. 13. Verfassen Sie ein besonderes Erlebnis aus Ihrem Leben in einer Zweitsprache. 14. Untersuchen Sie, welche Schwierigkeiten Sie beim Schreiben wahrgenommen haben, die mit dem Gebrauch der Zweitsprache zusammenhängen: • Stellen Sie speziell problematischen Sätzen oder Absätzen die Formulierung in Ihrer Erstsprache gegenüber. • Erklären Sie auffällige Unterschiede. Mittlerweile nehmen viele Autorinnen und Autoren mit anderer Erstsprache als Deutsch einen prominenten Platz in der deutschsprachigen Literaturlandschaft ein, z.B.: Österreich: Doron Rabinovici (geb. 1961): Ohnehin (2004); Radek Knapp (geb. 1964): Herrn Kukas Empfehlungen (2000); Vladimir Vertlib (geb. 1966): Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur (2001); Dimitré Dinev (geb. 1968): Engelszungen (2003); Julya Rabinowich (geb. 1970): Herznovelle (2008); Anna Kim (geb. 1977): Anatomie einer Nacht (2012); Tanja Maljartschuk (geb. 1983): Biografie eines zufälligen Wunders (2020); Ana Marwan (geb. 1980): Wechselkröte (2022) Deutschland: Feridun Zaimoglu (geb. 1964): Zwölf Gramm Glück (2012); Abbas Khider (geb. 1973): Die Orangen des Präsidenten (2011); Hatice Akyün (geb. 1969): Einmal Hans mit scharfer Soße (2007); Olga Grjasnowa (geb. 1984): Der Russe ist einer, der Birken liebt (2012) Einige dieser Autorinnen und Autoren wie Feridun Zaimoglu (2002), Tanja Maljartschuk (2018), Ana Marwan (2022) haben mit ihren Texten einen der renommiertesten Literaturpreise im deutschsprachigen Raum, den Ingeborg-Bachmann-Preis, gewonnen und erfuhren damit internationale Anerkennung. Vladimir Vertlib: Zwischenstationen (1999) In diesem Roman erzählt Vladimir Vertlib (geb. 1966 in Leningrad, damalige Sowjetunion) die Geschichte von den Wegen einer russisch-jüdischen Familie aus der Sowjetunion in die erhoffte Freiheit. In Wien findet die Mutter Arbeit als Putzfrau bei einer Versicherung. Da sie keine Möglichkeit hat, ihren kleinen Sohn unterzubringen, nimmt sie ihn zur Arbeit mit. Die Ereignisse sind aus der Ich-Perspektive des Kindes geschildert. 5 INTERKULTURELLE LITERATUR Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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