DEUTSCHE LITERATUR IM KONTEXT DER WELTLITERATUR 411 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das erzählerische Werk des amerikanischen Autors Ernest Hemingway (1899 – 1961) vorbildhaft für die deutsche Literatur, die die Nachwirkungen der Nazi-Zeit zu überwinden versuchte. Der Existenzialismus des französischen Autors Albert Camus (1913 – 1960) und des Philosophen Jean-Paul Sartre (1905 – 1980) sowie das absurde Theater des irischen Autors Samuel Beckett (1906 – 1989) und des französisch-rumänischen Autors Eugène Ionesco (1909 – 1994) hinterließen einen nachhaltigen Eindruck. Ab den 1960er Jahren gewann die lateinamerikanische Literatur an internationaler Popularität. Sie umfasst u.a. auch die Literatur in den indigenen Sprachen Süd- und Mittelamerikas sowie die afrobrasilianische Literatur. Der Magische Realismus, eine Bezeichnung für eine Synthese des Phantastischen, Mythischen und Realistischen war typisch. Für den guatemaltekischen Romancier Miguel Asturias (1899 – 1974, Nobelpreis 1967) bedeutete er die Synthese aus der „magischen“ Realität der Indigenen und dem europäischen, rationalen Wirklichkeitsverständnis. Der kolumbianische Dichter Gabriel García Márquez (1927 – 2014, Nobelpreis 1982) wurde mit dem Roman Hundert Jahre Einsamkeit (1967) berühmt, der ebenfalls dem magischen Realismus zugerechnet wird. Er setzte sich für die soziopolitische und kulturelle Emanzipation der Menschen Lateinamerikas ein. Ein weiterer lateinamerikanischer Preisträger war 1971 der chilenische Dichter Pablo Neruda (1904 – 1973), der in seinem Hauptwerk Canto General (1948/49) in 15.000 Versen Wesen und Geschichte des amerikanischen Kontinents deutet. Sein Begräbnis kurz nach der Errichtung einer Militärdiktatur in seinem Heimatland gestaltete sich als „symbolisches Begräbnis der Freiheit“, wie die chilenische Bestsellerautorin Isabel Allende (geb. 1942) in ihrem Roman Das Geisterhaus (1982) schrieb. 1990 erhielt der mexikanische Dichter Octavio Paz (1914 – 1998), der mit seiner Lyrik großen Einfluss auf die lateinamerikanische Literatur ausübte, den Nobelpreis und 2010 der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa (geb. 1936), der in seinen Werken Themen wie korrupte Systeme, die Gewaltbereitschaft und die teilweise rassistische Klassenordnung in Peru und Lateinamerika generell und die Machenschaften imperialer Politik behandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die großen Kolonialländer aufgrund erstarkender Unabhängigkeitsbewegungen gezwungen, ihre kolonialen Besitzungen nach und nach aufzugeben und deren Selbstständigkeit zu akzeptieren. In der Folge kamen viele Arbeitskräfte aus den (ehemaligen) Kolonien, dem heutigen Commonwealth, speziell nach Großbritannien, vornehmlich nach London. Menschen aus der Karibik folgten Menschen vom indischen Subkontinent – Inder, Pakistanis, Bengalen – und Afrikaner. Diese Menschen trugen ihre Herkunft, ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Erfahrungen mit sich. Daraus entstand eine neue Literatur, die über Entwurzelung, über mehrfache Identität, über schmerzvollen Abschied und nicht geglückte Ankunft erzählt. 1956 erschien der Roman The Lonely Londoners des aus Trinidad stammenden Autors Sam Selvon (1923 – 1994), der die Schicksale jener Einwanderer erzählt, die 1948 mit dem ersten Schiff in Großbritannien ankamen. Ebenfalls aus der ehemals britischen Kolonie Trinidad stammt Vidiadhar Surajprasad Naipaul (1932 – 2018, Nobelpreis 2001), dem die Auszeichnung verliehen wurde mit der Begründung: „…für seine Werke, die hellhöriges Erzählen und unbestechliches Beobachten vereinen, und uns zwingen, die Gegenwart verdrängter Geschichte zu sehen“. Sein autobiographischer Roman Das Rätsel der Ankunft (1987) gilt als Schlüsselroman für das große Thema des Ankommens in der Fremde. Eingewanderte fühlen sich oft im Herkunftsland nicht mehr und im Zufluchtsland noch nicht heimisch („Literatur des Dazwischen“, Sigrid Löffler). Diese Thematik prägt in ähnlicher Weise die Literatur von Autorinnen und Autoren mit migrantischem Hintergrund im deutschen Sprachraum. Traditionellerweise übt die anglo-amerikanische Literatur einen beträchtlichen Einfluss auf die europäische Szene aus. In den 1950er und 1960er Jahren prägte die Beat generation um William S. Burroughs (1914 – 1997) und Allen Ginsberg (1926 – 1997) die Literaturszene. Der Roman Unterwegs (1957) von Jack Kerouac (1922 – 1969), der die Reisen und Abenteuer von zwei Protagonisten auf den Straßen Amerikas beschreibt, wurde zu einem Schlüsselwerk. Magischer Realismus Postkoloniale Literatur Literatur der USA Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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