DEUTSCHE LITERATUR IM KONTEXT DER WELTLITERATUR 413 Fantasie. Thomas Coraghessan (T. C.) Boyle (geb. 1948) gehört zu den erfolgreichsten Autoren Amerikas. Seine Werke sind geprägt von einem prägnanten Stil, von der scharfen Beobachtung gesellschaftlicher Zustände und einer breiten Themenwahl. Er gilt ebenso wie Paul Auster als postmoderner Autor. Erst spät zur Kenntnis genommen hat der globale Westen die afrikanische Literatur. Die Zuerkennung des Nobelpreises 1986 an den Nigerianer Wole Soyinka (geb. 1934) gilt als Abschied vom Eurozentrismus. 1991 ging der Nobelpreis an die Südafrikanerin Nadine Gordimer (1923 – 2014) und 2003 an ihren Landsmann John Maxwell Coetzee (geb. 1940). Als erster arabischsprachiger Autor wurde 1988 der Ägypter Nagib Mahfuz (1911 – 2006) ausgezeichnet. Mohamed Mbougar Sarr (geb. 1990 in Dakar) erhielt 2021 als erster Autor aus Senegal den französischen Prix Goncourt, den wichtigsten Literaturpreis Frankreichs, für seinen Roman Die geheimste Erinnerung der Menschen. Bedacht mit vielen internationalen Literaturpreisen, gehört Chimamanda Ngozi Adichie (geb. 1977 in Enugu, Nigeria) seit Jahren zu den bekanntesten und erfolgreichsten Autorinnen Afrikas. In ihrem Roman Die Hälfte der Sonne (2006) thematisiert sie den Biafra-Krieg im Nigeria der 1960er Jahre, weil sie davon überzeugt ist, dass viele Probleme, die zu dem Krieg führten, heute noch immer nicht gelöst seien. 2021 wurde Abdulrazak Gurnah (geb. 1948 in Tansania) „für sein kompromissloses und mitfühlendes Durchdringen der Auswirkungen des Kolonialismus und des Schicksals des Flüchtlings in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten“ mit dem Nobelpreis geehrt. „Dank solcher Autoren verschiebt sich der Atlas der Literaturlandschaften. Stimmen aus bisher literarisch stummen Weltregionen beginnen sich Gehör zu verschaffen“, fasst die Literaturkritikerin Sigrid Löffler diese literarische Entwicklung zusammen. Ihre Geschichten werden zu einem Hauptthema einer neuen Weltliteratur und wirken somit auch auf die deutschsprachige Gegenwartsliteratur ein. Als die international bekanntesten zeitgenössischen chinesischen Autoren gelten Mo Yan (geb. 1955) und Yu Hua (geb. 1960). Ihr Werk spiegelt viele Versatzstücke des (literarischen) Bewusstseins im heutigen China wider. Ihre Romane behandeln in einer grellen, oft einfach-kindlichen Sprache das Schicksal der einfachen Menschen, vor allem auf dem Land, und ihre Verletzungen, die sie während und nach der maoistischen Revolution, die die Autoren selbst erlebt haben, erdulden mussten. Damit wurde das von der Kommunistischen Partei befohlene Schweigen über diese Zeit erstmals literarisch durchbrochen. Mo Yan erhielt 2012 den Nobelpreis für Literatur, „weil er mit halluzinatorischem Realismus Märchen, Geschichte und Gegenwart vereint“, wie es in der Jurybegründung des Nobelpreiskomitees hieß. Stand die japanische Literatur früher unter dem Einfluss der chinesischen Literatur, übt heute vor allem die westliche Literatur eine besondere Faszination auf die japanischen Schriftsteller und Schriftstellerinnen aus. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges befasst sich die Literatur mit dem Trauma, das die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki verursacht haben. Kenzaburō Ōe (1935−2023) studierte französische Literatur und war stark von westlichen Autoren wie Sartre und Faulkner beeinflusst. In der Tradition des japanischen Ich-Romans, des Shishōsetsu, schrieb Ōe Bücher, in die viele persönliche Erfahrungen einflossen. Der radikale Pazifist Ōe engagierte sich gegen Militarismus, Nationalismus und die Atomkraft. Für sein Werk erhielt er 1994 den Nobelpreis. Der zweite japanischstämmige Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro (geb. 1954 in Nagasaki, Nobelpreis 2017) behandelt Themen wie Klasse, Ethnie, nationale Identität, Hierarchie und Moral, ebenso wie Fragen der Kunst. Der populärste japanische Schriftsteller der Gegenwart ist Haruki Murakami (geb. 1949), der zahlreiche Romane und Erzählungen im surrealistischen Stil verfasst hat. Seine Romane spielen zumeist im japanischen Umfeld, weisen jedoch eine schriftstellerische Verbundenheit zur westlichen Literatur auf. Neben seinen eigenen Werken übersetzt der Schriftsteller auch zahlreiche Bücher aus der US-Literatur und verbindet damit japanische und westliche Schreibkunst. Afrikanische Literatur Literatur aus China Literatur aus Japan Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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