422 Er schaute zum Fenster hinaus, auch wenn es nicht viel zu sehen gab – hauptsächlich Wiesen und Baumwollfelder. Er befand sich auf einer langen Busfahrt nach Nirgendwo. Der Bus hatte keine Klimaanlage und die stickige, heiße Luft war fast ebenso beklemmend wie die Handschellen. […] Zu Hause hatte er keine Freunde. Er war übergewichtig und die anderen Kinder in seiner Schule machten sich oft darüber lustig. Sogar seine Lehrer machten manchmal irgendwelche grausamen Bemerkungen, ohne es zu merken. An seinem letzten Schultag hatte die Mathelehrerin Mrs. Bell mit ihnen Verhältnisrechnen gemacht. Um ihnen das an einem Beispiel vorzuführen, ließ sie das schwerste und das leichteste Kind der Klasse nach vorne kommen zum Wiegen. Stanley wog dreimal so viel wie der andere Junge. Mrs. Bell schrieb das Verhältnis der beiden Gewichte – 3:1 – an die Tafel, ohne zu spüren, wie peinlich die Situation für beide Jungen war. Am selben Tag war Stanley festgenommen worden. In seinem Text Boot Camp (2005) beschäftigt sich Todd Strasser (geb. 1950), der unter seinem Pseudonym Morton Rue auch den Roman Die Welle (1981) verfasst hat, mit einer ähnlichen Situation. Sein Text behandelt das Phänomen Umerziehungslager (Boot camps), wie sie in den USA und anderen Ländern existieren, in denen problematische, straffällige Jugendliche mit Härte und militärischem Drill „erzogen“ werden sollen. 10. Setzen Sie sich mit den Erziehungsprinzipien, die in den beiden Romanen Löcher und Boot Camp thematisiert werden, auseinander: • Beschreiben Sie zunächst die Erziehungsmethoden, die in dieser Textstelle sichtbar werden, zusammen. • Stellen Sie Überlegungen darüber an, weshalb die Autoren dieses Thema gewählt haben könnten. • Beziehen Sie Stellung zu der Frage, inwieweit derartige Methoden ihr Ziel erreichen. Zur Gruppe der dystopischen Jugendbücher bzw. Jugendbuchreihen gehören auch Die Tribute von Panem (2008 – 2010) von Suzanne Collins (geb. 1962), die vom Kampf gegen eine grausame tyrannische Regierung erzählen. Die aus Wien stammende Christine Nöstlinger (1936 – 2018), die neben Kinder- und Jugendbüchern u.a. auch Dialektgedichte, Drehbücher und Zeitungsbeiträge schrieb, wurde ab etwa 1970 zu einer der bedeutendsten Autorinnen dieses Genres. Als politisch engagierte Autorin stellte sie dabei oft benachteiligte, widerständige Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt, die sich gegen die Einflussnahme der Erwachsenen zur Wehr setzen. Besondere Popularität erhielt ihre Radio-Figur Dschi Dsche-i Dschunior, mit der es ihr gelang, den Schulalltag und die Lebenswelt Jugendlicher aus der Sicht eines Betroffenen darzustellen und weit über das Lesepublikum hinaus auf die Lage dieser Altersgruppe und ihrer Probleme aufmerksam zu machen. Christine Nöstlinger: Echt Susi (1988) In diesem Roman lehnt sich Susi gegen die Erwartungen ihrer Umgebung auf und widersetzt sich der traditionellen Geschlechterrolle. Sie muss sich dabei auf der Suche nach ihrer Identität den Herausforderungen des Erwachsenwerdens stellen. 20 25 30 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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