430 Verstand und intuitiven Einfällen gelöst werden. Die Autorinnen und Autoren wurzeln in der Tradition des 19. Jahrhunderts. Sie glauben an die alle Probleme lösende Wissenschaft und an die Rechtmäßigkeit der bestehenden Ordnung, die wiederhergestellt werden muss. Die meistgelesenen – allerdings wenig eigenständigen – Krimis im deutschen Sprachraum sind die der Jerry-Cotton-Reihe aus dem Bastei Verlag, die von über 100 verschiedenen Autorinnen und Autoren unter dem Pseudonym Jerry Cotton verfasst wurden bzw. werden und von denen pro Woche etwa 300.000 Exemplare erscheinen. Das Grundschema solcher trivialen Krimis ist ähnlich einfach und gleichförmig wie das der trivialen Liebesromane: Die Bösen (Erpresser, Gangster, Mörder) bedrohen Glück, Gesundheit und Leben der Guten. Das Ziel ihrer Aktionen ist, Geld, Macht und Einfluss an sich zu reißen. Die Guten werden jedoch durch selbstlose Supermänner gerettet, die der Ordnungsmacht angehören. Das moralische Schema ist denkbar einfach: Triumph des Rechts über Unrecht und Verbrechen. Die Charakterzeichnung bedient sich einiger weniger Schablonen: Die Gangster sind zynisch, skrupellos, kaltblütig, unerhört brutal; bei ihren bösen Taten gehen sie klug berechnend vor. Die auf der Seite des Rechts und der Menschlichkeit Kämpfenden sind auch äußerlich gewinnend; sie sind furchtlos und an Klugheit und umsichtigem Kombinieren den Gangstern überlegen. Der Handlungsfortgang wird durch ständig neue Intrigen, Bedrohungen und Verbrechen erreicht. Auf diese Weise reißt die „Spannung“ nie ab; die Serien sind beliebig lange fortsetzbar. Sprachlich erweckt der triviale Krimi den Anschein, ein harter, realistischer Tatsachenbericht zu sein, sachlich, nüchtern und knapp. Die kurzen Absätze umfassen nur wenige – ebenfalls kurze – Sätze, sodass die Texte leicht fasslich sind. Sprachklischees sind eher noch häufiger als in den Liebesromanen zu finden. Die letzte Runde ging an mich (1973, Bastei Jerry Cotton Bd 839) Er bog um die Ecke, in einem grauen Anzug, eine Sonnenbrille auf der Nase. Langsam nahm er die Brille ab. Gerade in diesem Augenblick, als er beide Hände brauchte, ließ ich die Maske fallen.„Ihr Spiel ist aus, Slate Glover, endgültig aus!“, sagte ich und tat einen Schritt auf ihn zu, den Revolver in der Faust. Mit einem Fluch ließ der „Zar“ den Koffer mit dem Geld fallen, warf sich unglaublich schnell zur Seite. Ich hätte ihn mit dem Revolver erwischen können, aber ich schoss nicht, denn ich wollte ihn lebend. Er rannte den Kellergang hinunter. Als er sich durch ein schmales Fenster quälen wollte, holte ich ihn ein. Doch die Angst, die Panik, die ihn ergriffen hatte, verlieh ihm unheimliche Kräfte. Er riss sich los und stürzte dem Ausgang zu. Aber er hatte die Rechnung ohne mich gemacht. Mit einem Satz war ich bei ihm, packte ihn und wirbelte ihn herum. Mit einem knallharten Haken, genau auf die Kinnspitze, schickte ich ihn zu Boden. Der „Zar“ war zäh. Er blieb bei Bewusstsein und schrie, während er auf allen vieren dem hellen Rechteck der Tür entgegenkroch. Erst als ihm Phil, durch den Lärm alarmiert, den Weg versperrte, begriff der „Zar“, dass es für ihn keinen Ausweg mehr gab. 7. Stellen Sie Übereinstimmungen und Unterschiede zu den vorangegangenen Beispielen trivialer Liebesliteratur fest. 5 10 15 20 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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