UNTERHALTUNGS- UND TRIVIALLITERATUR 431 Trivialliteratur ist oft eng mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden. Ausgangspunkt ist nicht die Idee einer Schriftstellerin oder eines Schriftstellers und ihre künstlerische Gestaltung, sondern die Überlegung eines Verlages, wie Geld zu machen sei. Die Verbreitung der Heftchenromane übernehmen vor allem Kioske und Trafiken. Jährlich werden etwa 120 Millionen Heftchen gedruckt, Liebesromane, Krimis, Western, Abenteuerromane, Comics. Beim Liebesroman werden unterschieden: Frauen-, Berg- und Heimatromane, Fürsten- und Arztromane, erotische Romane. Zum Abenteuerroman gehören auch Kriegsromane und Science Fiction. Manche Verlage sind ausschließlich auf die Produktion von Heftchenliteratur eingestellt. Die Redaktionen schreiben den Autorinnen und Autoren das Thema, das Gerüst der Handlung und die Konstellation der Figuren vor. Es gibt einige Schablonen für Aufbau, Charakterisierung der Figuren und Konfliktsituationen. Serien werden von einem Arbeitsteam verfasst. Literatur wird zu einer massenhaft produzierten Ware, die sich nach den Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten richtet. Viele Leserinnen und Leser wollen sich ohne große geistige Anstrengung unterhalten, Langeweile vertreiben oder sie mit Spannung und Traumfantasien füllen. Sie möchten – neben einer aktionsreichen Handlung ohne lange Betrachtungen und Schilderungen – erleben, wie dem Guten zum Sieg über das Böse und Schlechte verholfen und so eine gerechte Ordnung hergestellt wird, die in der Wirklichkeit offensichtlich nicht realisierbar ist. Der Unterhaltungsroman löst die Undurchschaubarkeit der Verhältnisse in der Welt in einfache Bilder auf und bietet eine klar überschaubare Wertordnung. Heute wird Trivialliteratur vielfach von Autorinnen und Autoren verfasst, die ihre Werke als Self-Publisher herausbringen. Das heißt, die Werke werden im Selbstverlag, durch die Autorinnen und Autoren selbst, veröffentlicht. Ihnen steht dabei keine Infrastruktur eines Verlags zur Verfügung, sondern alle Schritte im Entstehungsprozess eines Buches müssen selbst erledigt oder organisiert werden: angefangen von verschiedenen Schritten der Qualitätssicherung wie Lektorat oder Korrektorat über den Satz des Buches, die Gestaltung eines Covers bis hin zur Vermarktung des Werks. Leistungen, die die Autorinnen und Autoren nicht selbst erbringen können oder wollen, müssen zugekauft werden. Die zunehmende Digitalisierung hat sowohl im Hinblick auf die Publikation der so genannten Indie-Bücher als auch auf den Zukauf oben genannter Leistungen zahlreiche neue Möglichkeiten eröffnet und damit dafür gesorgt, dass sich sowohl der Literaturmarkt als auch der Markt an freiberuflichen Lektorinnen und Lektoren, Korrekturleserinnen und Korrekturlesern, Cover Designerinnen und Cover Designern oder Übersetzerinnen und Übersetzern rasant weiterentwickelt und sehr im Umbruch begriffen ist. Besonders attraktiv für Indie-Autorinnen und -Autoren sind digitale Plattformen von Online-Shops, über die Autorinnen und Autoren ihre Werke schnell und unkompliziert einem großen Publikum an Leserinnen und Lesern, die Bücher vor allem über E-Reader lesen, vorstellen und vertreiben können. Um in den Bestsellerlisten solcher Plattformen nach oben zu rutschen und entsprechendes Interesse und Verkaufszahlen zu generieren, bedienen Indie-Autorinnen und -Autoren oft Nischengenres, in denen sie sich eine treue Fangemeinde aufbauen, die in den Werken dieser Autorinnen und Autoren exakt die Geschichten und literarischen Genres finden, die sie erwarten und die sie gerne lesen. Ein Beispiel für solch ein Nischengenre wäre LitRPG, ein literarisches Genre, dessen Bezeichnung 2013 zum ersten Mal auftauchte. Der Begriff steht für die Bezeichnung „literary role playing game“. Werke dieses Genres kombinieren also Science Fiction- oder Fantasy-Stoffe mit den Konventionen computerbasierter Rollenspiele. So erfolgt die Entwicklung der Protagonistinnen und Protagonisten nicht nur implizit durch eine veränderte Verhaltensweise oder die Beschreibung eines unterschiedlichen Aussehens im Verlauf der Geschichte, sondern wird oft – wie in Computerspielen – in Form von Tabellen dargestellt, in der der Zuwachs oder die Abnahme von Werten wie „Gesundheit“, „Stärke“ oder „Intelligenz“ abgebildet ist. Abgesehen davon ist es im Interesse der Indie-Autorinnen und -Autoren, sich auch in weiter verbreiteten Genres, und somit in jenen, in denen höhere Konkurrenz herrscht, nach dem Geschmack des Publikums zu richten und dessen Erwartungen zu erfüllen, was genau der Definition von Trivialliteratur entspricht. Literatur als Ware Bedürfnisse und Konsumverhalten von Leserinnen und Lesern Trivialliteratur durch Self-Publisher Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
RkJQdWJsaXNoZXIy MjU2NDQ5MQ==