VERMITTLUNG UND VERMARKTUNG VON LITERATUR 437 geben wird, bis sie es sich ausleihen können. Allerdings ist oft die Anzahl der Bücher begrenzt, die man sich gleichzeitig ausleihen kann. Für Autorinnen und Autoren, insbesondere Self Publishing Autorinnen und Autoren, stellen digitale Verleihsysteme auf Vertriebsplattformen einen wichtigen Teil ihrer Einnahmen dar. Oftmals sind die „gelesenen Seiten“, für die eine Vergütung an Autorinnen und Autoren ausbezahlt wird, noch wichtiger als die Anzahl an tatsächlich verkauften Büchern. Prämienmodelle, über die an Autorinnen und Autoren, die in einem Monat besonders oft gelesen wurden, zusätzliche Boni durch die Vertriebsplattform ausbezahlt werden, motivieren dazu, der Plattform stets frische Inhalte zuzuführen und die Leserinnen und Leser kontinuierlich mit neuem Lesestoff zu versorgen. Demzufolge stimmen Indie-Autorinnen und -Autoren oft ihre Publikationsstrategie darauf ab, möglichst viele „gelesene Seiten“ zu generieren und ihre Fangemeinde zu motivieren, möglichst oft eigene Bücher über die Flat Rate auszuleihen. Zu diesen Strategien gehört beispielsweise, Inhalte – ähnlich wie im Fernsehen oder auf Streamingplattformen – in Serien und Episoden zu konzipieren und zu veröffentlichen oder auch, viel häufiger neue Bücher zu veröffentlichen als herkömmliche Autorinnen und Autoren bei Verlagen. So ist es nicht ungewöhnlich, dass Indie-Autorinnen und -Autoren alle zwei Wochen oder sogar wöchentlich neue Bücher auf die Plattform stellen, um die Fangemeinde laufend aufs Neue an sich zu binden. Die Entwicklung der Musikkassette seit den 1960er und der CD seit den 1980er Jahren führte zur weiten Verbreitung von Hörbüchern, die heute zum Teil direkt aus dem Internet geladen und am Computer oder vor allem über entsprechende Apps auf Smartphones gehört werden können. Das Internet bietet für jeden, der es sich zutraut, eine relativ günstige Möglichkeit, eigene Werke zu publizieren, ohne die Hilfe eines Verlags in Anspruch nehmen zu müssen, was dazu führte, dass auch renommierte Autorinnen und Autoren mittlerweile ihre Werke ausschließlich im Internet anbieten. So erschien der Roman Neid 2008 lediglich auf Elfriede Jelineks Website im Internet, von wo er kostenlos abgerufen werden kann. Auf der anderen Seite strömen Autorinnen und Autoren, die auf herkömmliche Art und Weise nie die Gelegenheit gehabt hätten, ein eigenes Buch auf den Markt zu bringen, mit ihren E-Books in die virtuellen Buchgeschäfte. Aus manchen Hobby-Schriftstellerinnen und -Schriftsteller werden so Bestsellerautorinnen bzw. -autoren, die ihre Unterhaltungsliteratur dank des Internets ohne jegliches finanzielles Risiko weltweit vermarkten können. Sie können auf Grund der hohen Verkaufszahlen davon leben, obwohl ihre Werke um minimale Beträge verkauft werden. Damit verbunden ist eine Diversifikation in der Qualität der kommerziell angebotenen Texte. Früher konnte man noch davon ausgehen, dass ein von einem Verlag herausgebrachtes Buch zwar möglicherweise umstritten hinsichtlich seines Inhalts war, aber durch die mit der Buchproduktion verbundenen Arbeitsschritte und Feedbackprozesse zumindest sorgfältig erstellt wurde. Angesichts der Entwicklungen im E-Book-Bereich müssen sich Leserinnen und Leser heutzutage darauf einstellen, den Inhalt von elektronischen Büchern im gleichen Maß kritisch zu hinterfragen und sorgfältig auf die Verlässlichkeit der Quelle zu achten wie bei allen anderen Inhalten, die im Internet veröffentlicht werden. Eine besondere Form der digitalen Literatur sind Hypertext-Formate, die den Leserinnen und Lesern einen vielfachen Zugang ermöglichen. Dabei handelt es sich um Webseiten, die mit Links versehen sind, die zu anderen Inhalten führen. Durch Vernetzung einzelner Seiten werden Textelemente miteinander verknüpft, Beziehungen hergestellt, die über den eindimensionalen Zugang des traditionellen Buches hinausgehen. Die Leserinnen und Leser konstruieren sich damit ihr jeweiliges Leseerlebnis selbst, indem die Links in beliebiger Reihenfolge – je nach Interesse – angeklickt werden und damit jeweils eine neue Abfolge und eine andere Gewichtung der Inhalte entstehen. Der Hypertext-Roman wird damit von der Rezipientin oder vom Rezipienten mitkreiert, da sie bzw. er erst die individuelle Endfassung erstellt. Self Publishing Werke im Netz Hypertext Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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