441 Sprachliche Form kann sich nur an Inhalt und Stoff realisieren, und umgekehrt kann Inhalt nur in einer bestimmten Form erscheinen. Beide Bereiche sind durch typische Merkmale gekennzeichnet. INHALTLICHE MERKMALE STOFF Der Stoff ist das vor und außerhalb der Dichtung gegebene Geschehen, das die Autorin bzw. den Autor zu poetischer Gestaltung anregt. Sie oder er hat den Stoff selbst erlebt, ihn erfahren oder in einer Quelle (in der Geschichte, der Religion oder einem Mythos) gefunden. Stoffe sind an Ereignisse und Namen gebunden, z. B. der Zweite Weltkrieg, die Entdeckung Amerikas, die sozialen Verhältnisse in Lateinamerika; Ödipus, Odysseus, Adam und Eva, die Nibelungen, Don Juan, Faust. Friedrich Dürrenmatt meinte in einem Gespräch: „Man beginnt mit dem Stoff, und welche Form hat der Stoff nötig, das ist dann die Frage. Das ist nicht eine Frage ans Publikum. Ich glaub, Schreiben ist eine intensive Angelegenheit vom Stoff her.“ Die Literaturwissenschaft untersucht auch die Behandlung der Stoffe und vergleicht die Bearbeitung eines Stoffes bei verschiedenen Autorinnen und Autoren (z. B. die Darstellung des Faust-Stoffes, vgl. S. 125ff.). MOTIV Motive sind häufig zu findende strukturelle Einheiten (meist menschliche Situationen und Konflikte), die mit Hilfe eines Stoffes literarisch verarbeitet werden. Beispiel Motiv: Mord an der Geliebten. Stoff: Johann Woyzeck, hingerichtet 1824 wegen Mordes. Da Motive immer wiederkehren, bildet sich eine Tradition, die in der „Motivgeschichte“ festgehalten wird. Es lassen sich mehrere Arten von Motiven unterscheiden. Das Geschehen vor der dichterischen Verarbeitung ALLGEMEINE MERKMALE VON TEXTEN Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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