Zeitbilder 2, Schulbuch

16 Radikalisierung der Innenpolitik M1 Wahlplakate der Ersten Republik (1920, 1930, 1923) Wehrverbände Bewaffnete Wehrverbände verschärften die politischen Gegensätze. Die Heimwehr unterstützte die Christlichsozialen. Der Republikanische Schutzbund war ein bewaffneter Verband der Sozialdemokratie. Aufmärsche führten immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. Im Jänner 1927 erschossen Angehörige der rechtsstehenden Frontkämpfervereinigung in Schattendorf einen Schutzbündler und ein Kind. Während des Prozesses konnten weder der Schütze noch Notwehr oder Absicht eindeutig nachgewiesen werden. Ein Gericht in Wien sprach die Angeklagten frei. Justizpalastbrand Dieses Urteil sorgte für Empörung: Am 15. Juli 1927 geriet eine Demonstration Tausender auf der Wiener Ringstraße außer Kontrolle: Zahlreiche Menschen versuchten, das Hauptgebäude der Universität zu stürmen oder warfen Steine auf Sicherheitsleute. Schließlich steckten Eindringlinge den Justizpalast in Brand. Die Demonstrierenden behinderten den Einsatz der Feuerwehr. Nun schoss die Polizei in die Menge. Die genaue Zahl der Opfer konnte nie ermittelt werden, sicher sind 89 Tote. Heimwehr Diese Ereignisse bestärkten die Heimwehr in ihrer Ablehnung von Sozialdemokratie und Kommunismus. Das faschistische Italien unter Mussolini* (S. 28) unterstützte sie mit Waffen und Geld. M2 Mitteilung der burgenländischen Landesregierung Q Am 30. Jänner 1927 nachmittags sollten in Schattendorf Versammlungen der Frontkämpfervereinigung und des republikanischen Schutzbundes abgehalten werden, wovon jedoch nur die erstere behördlich angemeldet war. Das Versammlungslokal der Frontkämpfervereinigung ist das Gasthaus Tscharmann. Die Schutzbündler marschierten die Ortsstraße entlang. Beim Gasthaus blieb ein Teil von ihnen zurück. In der Ortschaft fielen mehrere Schüsse, die aus dem Gasthof abgegeben wurden. Zwei Personen, Matthias Zmaritsch und der siebenjährige Schüler Josef Grössing, fielen den Schüssen zum Opfer. Wie es zu diesem Vorfall kam, ist noch nicht einwandfrei festgestellt. (nach: Kronen Zeitung, 1.2.1927) O Ich war 20 Jahre alt. Meine Eltern hatten mich bei Onkel und Tante in der Steiermark untergebracht, damit ich dort die Matura machen konnte. Es war der Morgen des 1. Mai, als ich plötzlich in aller Früh durch Trommeln und Musik aus dem Schlaf gerissen wurde. „Großer Gott, die Wehrverbände marschieren wieder!”, war mein erster Gedanke. Ich rannte in den Keller, holte Bretter und Werkzeug und fing an, die Fenster zu verbarrikadieren. Beim Zunageln des zweiten Fensters kam meine Tante und starrte fassungslos auf mein Werk. Aber anstatt mich zu loben, war sie wegen der ruinierten Fensterrahmen ziemlich sauer. Dann wurde ihr klar, warum ich das gemacht hatte. Sie erklärte mir, dass Maiaufmärsche (= sozialdemokratischer Aufmarsch zum 1. Mai) eine friedliche Sache seien. (Oral History, Gespräch mit Dr. H. Schmid, 1975) M3 Zeitzeuge Hans erzählt aus dem Jahr 1949 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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