Sexl Physik 6 RG, Schulbuch

Das Wasserkreislaufmodell als Analogie für den Stromkreis Um die Begriffe „elektrische Spannung“ und – im nächsten Kapitel – „elektrischer Strom“ besser zu verstehen, nehmen wir Analogieüberlegungen anhand eines Wasserkreislaufmodells zuhilfe. 80.1 zeigt das Prinzip eines hydraulischen Antriebs und vergleicht ihn mit einem elektrischen Stromkreis. In beiden Fällen soll Energie zwischen einem Antrieb (Pumpe bzw. Batterie) und einem Verbraucher (Turbine als Antrieb von Maschinen bzw. Lampe) übertragen werden. Arbeitsmittel sind beim hydraulischen Antrieb Wasser (oder Hydraulik-Öl) bzw. im Stromkreis elektrische Ladungsträger. Die Pumpe stellt eine Druckdifferenz ∆p zwischen der oberen und der unteren Rohrleitung her. Die Druckdifferenz und die umgewälzte Wassermenge V bestimmen, wie viel Energie W von der Pumpe mit dem Wasserkreislauf der Turbine zugeführt und von ihr umgesetzt wird: W = V·Δp. Durch Zu- und Ableitung fließt immer die gleiche Menge Wasser: Es wird kein Wasser verbraucht, es kann sich nicht stauen. Die Batterie (oder eine andere Spannungsquelle) drückt am einen Pol Ladungsträger in die Leitung, am anderen Pol saugt sie Ladungsträger an – sie erzeugt sozusagen eine elektrische Druckdifferenz, die „Spannung“. Im geschlossenen Stromkreis lässt die Druckdifferenz die Ladungen durch die Leitungen und den Verbraucher fließen. Die am Verbraucher umgesetzte Energie hängt von der Druckdifferenz, d. h. von der Spannung U zwischen Eingang und Ausgang des Verbrauchers, und der geflossenen Ladungsmenge Q ab. In Zu- und Rückleitung fließen gleich viele Ladungen, es wird kein Strom verbraucht. Um die Ladung Q in der Spannungsquelle beweglich zu machen und an den Stromkreis abzugeben, wird Energie W benötigt, die bei Batterien aus chemischen Reaktionen stammt, bei Solarzellen vom einfallenden Licht geliefert wird, usw. Analog zum Wasserkreislauf setzen wir W = Q·U. Dadurch definieren wir die elektrische Spannung U: Der Quotient aus aufgewandter Energie und transportierter Ladung Q wird elektrische Spannung (U) genannt. Die elektrische Spannung Spannung = Energieaufwand zur Ladungstrennung/Ladung ​U = ​ W_ Q ​ Einheit der elektrischen Spannung: Volt (V). 1 V = 1 J/C. Spannungsquellen für den Alltag Elektrische Energie aus mechanischer Energie Vom Fahrraddynamo bis zum Generator im Kraftwerk und in der Windenergieanlage (80.3) wird mechanische Arbeit genutzt, um elektrische Energie bereit zu stellen. Die Verteilung über das öffentliche Leitungsnetz ermöglicht den kostengünstigen Einsatz von elektrischer Energie in Industrie und Haushalt. 80.1 Analogie Wasserkreis – Stromkreis. a) Energie wird im Wasserkreis durch den Druckunterschied in den Leitungen von der Pumpe zur Turbine übertragen. b) Im Stromkreis überträgt die Spannungsquelle (Batterie) Energie auf den Verbraucher (Lampe), wenn Strom fließt und zwischen den Anschlüssen des Verbrauchers eine elektrische Spannung besteht. Verschiedene Spannungswerte Empfangsantenne ca. 10 μV EKG ca. 1 mV Zellmembran ca. 100 mV Galvanische Zelle 1,5 V Flachbatterie 4,5 V Fahrraddynamo ca. 6 V Autobatterie 12 V lebensgefährliche Spannungen ab ca. 50 V Haushaltsnetz (EU) 230 V Bandgenerator ca. 100 kV Hochspannungsleitung ca. 380 kV Gewitter ca. 100 MV 80.2 Elektrische Spannungen in Natur und Alltag. Der Ausdruck „elektrischer Druck“ soll die Ähnlichkeit (Analogie) von Wasserkreis und Stromkreis hervorheben. Der Fachausdruck ist Potenzial (Einheit: Volt). Dieser Begriff erinnert an die potenzielle Energie der Mechanik und an die Fähigkeit eines mechanischen Systems, gespeicherte potenzielle Energie in Arbeit umzuwandeln. Die beiden Pole der Batterie haben unterschiedliche Potenziale, ihre Differenz ist die elektrische Spannung. 80.3 In Windenergieanlagen wird mechanische Energie durch einen Generator in elektrische Energie umgewandelt. Energiegemeinschaften Seit dem Jahr 2021 können „Energiegemeinschaften“ mit unterschiedlichen Partnern elektrische Energie gemeinsam bereitstellen und nutzen. Das betrifft nur erneuerbare Energiequellen, also Photovoltaik-Anlagen, Windenergieanlagen (80.3) und kleine Wasserkraftwerke. Es wird zwischen lokalen und regionalen Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften unterschieden. Lokale Energiegemeinschaften speisen elektrische Energie in das lokale Niederspannungsnetz (400 V/230 V) ein, daher müssen die „Kraftwerke“ und die Verbraucher über dieselbe Trafostation miteinander verbunden sein. Dadurch sind die Transportwege für elektrische Energie kurz und die Kosten für die Netznutzung gering. Regionale Energiegemeinschaften können Energie in das Mittelspannungsnetz (10 kV, 30 kV) einspeisen. Energiegemeinschaften dürfen nicht gewinnorientiert sein, sie sollen die gemeinsame Nutzung von erneuerbarer Energie anregen und dadurch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. 80 E-Lehre 1 Ladung und Spannung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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