Zeitbilder 6, Schulbuch

Die vier Regierungschefs der mächtigsten Siegernationen (von links nach rechts): David Lloyd George, Vittorio Emanuele Orlando, Georges Clemenceau und Woodrow Wilson bei der Pariser Friedenskonferenz 1919. (Foto, 1919) Hierbei setzten die Regierungen Deutschlands und Österreichs große Hoffnungen auf die 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, die dieser im Jänner 1918 als Grundlage für einen Frieden proklamiert hatte. Der amerikanische Präsident konnte sich die Verwirklichung seines Friedensplanes jedoch nur zwischen demokratisch gewählten Regierungen vorstellen. Dies war seiner Ansicht nach weder im Deutschen Reich noch in Österreich der Fall. Hier änderte sich aber in den letzten Wochen des Krieges sehr viel. Ende Oktober wurde Deutschland durch eine Verfassungsänderung zu einer parlamentarischen Monarchie. Nach weiteren revolutionären Unruhen erfolgte am 9. November in Berlin die Ausrufung der Republik. Am 11. November unterzeichnete Matthias Erzberger als Beauftragter der neuen Regierung den Waffenstillstand. Im Oktober 1918 zerfiel auch der Vielvölkerstaat der Habsburger in eine Reihe von „Nachfolgestaaten“. Am 3. November wurde der Waffenstillstand unterzeichnet und am 12. November erfolgte die Ausrufung der Republik „Deutsch-Österreich“, nachdem Kaiser Karl I. auf die weitere Ausübung der Regierungsgeschäfte verzichtet hatte. Neue Ordnungen Die Welt hatte sich gegenüber 1914 durch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen grundlegend gewandelt. In Russland entstand der erste kommunistische Staat. Auch in Deutschland, Österreich-Ungarn und im Osmanischen Reich stürzte die monarchische Ordnung. Republiken entstanden. Parlamentarische Demokratie und Verfassungsstaat erfuhren neuen Auftrieb. In vielen Staaten gewannen die Arbeiterparteien politischen Einfluss und konnten sogar bei Regierungsbildungen eine entscheidende Rolle spielen. Doch die Zahl derer, die mit dieser neuen Ordnung nicht leben wollte oder durch den Krieg einen sozialen Abstieg erlebt hatte, war groß. Sie erlebten die Umwälzungen als Zusammenbruch. Andere sahen darin neue Chancen. Wieder anderen gingen sie zu wenig weit. Die Ansicht, die großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stünden erst bevor, war daher weit verbreitet. Am Ende des Krieges gab es militärische Sieger und Besiegte, doch ökonomisch hatten mit Ausnahme der USA und Japans praktisch alle den Krieg verloren. Hinzu kam die jahrelange Kriegspropaganda, die den jeweiligen Gegner entweder zum Ungeheuer gemacht oder der Lächerlichkeit preisgegeben hatte. Konnten deren Auswirkungen über Nacht beseitigt werden? Und was war vor allem mit dem unermesslichen Leid, das dieser Krieg bereitet hatte? Rund 10 Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren, weitere 20 Millionen waren verwundet worden und blieben vielfach ihr Leben lang körperlich und seelisch verkrüppelt. Ungeheure Ressourcen wurden zerstört. Vor diesem Hintergrund begannen im Jänner 1919 in Paris die Friedensverhandlungen. Die Besiegten des Krieges waren von den Friedensverhandlungen ausgeschlossen. Sie wurden von den USA, Großbritannien, Frankreich und Italien bestimmt. Außer ihnen nahmen noch die Vertreter jener Staaten teil, die als Verbündete gegen die Mittelmächte gekämpft hatten. Folgende Friedensverträge wurden geschlossen: – der Vertrag von Versailles mit Deutschland, – der Vertrag von Saint Germain-en-Laye mit Österreich und der Vertrag von Trianon mit Ungarn, – der Vertrag von Neuilly mit Bulgarien, – die Verträge von Sévres bzw. Lausanne mit dem Osmanischen Reich bzw. mit der Türkei. Abrüstung, Kriegsentschädigung und neue Staatsgrenzen waren Hauptprobleme der Verträge, wobei neue Grenzen vor allem Deutschland im Osten betrafen. Viele der kleinen Nationen erhielten ihre staatliche Unabhängigkeit. Damit hoffte man, das spannungsgeladene Nationalitätenproblem der Vorkriegszeit zu lösen. Doch auch viele der neuen Staaten waren ethnisch unterschiedlich zusammengesetzt. Minderheiten sahen sich bald wieder unterdrückt oder benachteiligt. Häufig durchschnitten die Grenzen auch gemischt besiedelte Gebiete. Das führte zu neuen Problemen in diesen Gebieten. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite heraus: – welche politischen Folgen sich für die besiegten Mächte ergaben; denke dabei z.B. an die Staatsform; – welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Menschen in den europäischen Ländern spürbar waren. 2. Ermittle anhand der Karte die Staatenwelt in Europa vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Diskutiert die neuen Grenzverläufe und deren mögliche Folgen. Denkt dabei z.B. an Minderheiten. Von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg 149 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA2NTcyMQ==