Zeitbilder 6, Schulbuch

nehmer zum Opfer fielen. Seit dem Durchbruch des Hochkapitalismus kapselte sich die Bourgeoisie nach unten hin streng ab. „Wir sollten nur mit feinen Kindern spielen, nicht mit Gassenbuben“, berichtete ein „Sohn aus gutem Hause“ über diese bereits bei Kindern praktizierte Abgrenzung. Die Ausbildung dieser Kinder erfolgte im Gymnasium oder in einer (teuren) Privatschule. Sie wurde häufig an der Universität fortgesetzt, um auf künftige „höhere und staatstragende Aufgaben“ in Wirtschaft und Politik vorzubereiten. Auch Mädchen wurde endlich der Besuch höherer Schulen gestattet. Dennoch wurde von vielen Bürgerlichen eine möglichst gute Verheiratung ihrer Töchter als deren wesentlichstes Lebensziel angesehen. Mann und Frau in verschiedenen Aufgaben Mit der Verlagerung der produktiven Arbeit vom Haus zunächst in die Manufakturen und später in die Fabriken (industrielle Produktionsweisen) erfolgte die Trennung zwischen öffentlicher Arbeits- und privater Lebenswelt. Das brachte z. B. Folgendes mit sich: Der Mann lebte sowohl in der außerhäuslichen Arbeitswelt, wo er erfolgreich sein sollte, als auch in der privaten, häuslichen Welt. QIn dem Augenblick, wo ich die Schwelle meines Hauses überschreite, verlasse ich die Meinigen Die Bourgeoisie – eine neue Führungsschicht Neben dem neuen Lebensstil war für das Bürgertum auch die Gründung von Vereinen und Berufsverbänden charakteristisch. Es entstand eine Vielzahl von Wohltätigkeits-, Krankenhilfs-, Sport- und Kulturvereinen (Lese-, Gesangs-, Wissenschaftsvereine usw.). Als Interessensvertretungen der einzelnen Berufsgruppen wurden Gewerbevereine und „Kammern“ (z.B. Handels-, Ingenieurs-, Ärzte- und Advokatenkammern) gegründet. Bis zur Industrialisierung hatte der Großgrundbesitz auch die wirtschaftliche Vorrangstellung des Adels garantiert. Nun wurde Kapitalbesitz, d. h. (Mit-) Eigentum an Fabriken, Banken, Eisenbahnen etc., entscheidend für die Führung in der Wirtschaft. Diese Positionen nahm aber fast überall das Großbürgertum ein. Denn für den alten Feudaladel galten solche Geschäfte als nicht standesgemäß. Die geringe Zahl der erfolgreichen bürgerlichen Aufsteiger (ca. 2 % der Bevölkerung) ahmte sehr häufig den luxuriösen Lebensstil des Adels nach (z.B. mit Landschloss, Mäzenatentum in der Kunst; Neureiche). Die kleinen Handwerker und Händler mussten jedoch, trotz steigenden Lebensstandards, um das wirtschaftliche Überleben kämpfen. Die Aufhebung der Zünfte, die freie Berufswahl und die Gewerbefreiheit hatten nämlich einen Konkurrenzkampf entfesselt, dem viele kleine Unterund gehöre der Welt, in der ich arbeite. In dem Augenblick, wo ich nach jener zurückkehre, wende ich mich zugleich von dieser arbeitenden Welt ab und gehöre dem Hause. (Zit. nach: Friedrich, Urbanitsch, Von Bürgern und ihren Frauen, 1996, S. 128) Die bürgerliche Frau hingegen sollte für das Haus, die Familie und den Haushalt leben. In der intimen Häuslichkeit, „dem Hort der Freude“, sollte sie ihren vom Beruf geplagten Mann verwöhnen und die Kinder erziehen. Sie war der gute Engel des Hauses: Ehefrau, Mutter und Herrin. QDer eigentliche Beruf des Weibes wird zu allen Zeiten das Haus und die Ehe sein. Sie soll Kinder gebären und sie erziehen. Ihrer Familie soll sie den lauteren Quell ihrer fühlenden, liebevollen Seele spenden, Zucht und Sitte, Gottesfurcht und heitere Lebensfreude nähren und pflegen. (Zit. nach: Ecker, Sozialgeschichte der Familie, 1986, S. 1 f.) Zur Organisation des großbürgerlichen Haushalts hatte die Frau Hilfen zur Seite: Köchin, Hausmädchen, Waschfrau. Das Elend der Arbeiterschaft Elend vor der Industrialisierung Lange vor der Entstehung der Fabriken lebten sehr viele arbeitende Menschen im Elend. Längsschnitt 60 Beschreibe das Schulwandbild „Wohnung einer großbürgerlichen Familie“ hinsichtlich folgender Inhalte: Schildere die Einrichtung des Zimmers. Charakterisiere die im Bild gezeigten Personen und arbeite dabei die Rollenbilder heraus, welche über deren dargestellte Tätigkeiten vermittelt werden. Diskutiert den Gesamteindruck, den der Maler hinsichtlich einer bürgerlichen Familie zu erzeugen versucht. Interpretiere den Sachverhalt, dass dieses Bild als „Schulwandbild“ verwendet wurde. Anonym, Die städtische Stube. Farblithographie, 1890. Wohnung einer großbürgerlichen Familie. (Schulwandbild aus dem 19. Jh.) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA2NTcyMQ==