Wie dieser Erlass in den Kolonien umgesetzt wurde, wissen wir vom Dominikanermönch Las Casas, dem späteren Bischof von Mexiko (1543–1566). Er berichtet dem spanischen König: QDer Erziehung, Belehrung und Bekehrung der Indianer wurde nicht mehr Aufmerksamkeit zugewendet, als wenn die Indianer Katzen oder Hunde gewesen wären. […] Die Spanier schleppten die verheirateten Männer 60 bis 400 km zum Goldgraben fort, und die Frauen blieben in den Häusern und auf den Farmen zurück, um dort Feldarbeit zu verrichten. So kam es, dass die Geburten fast aufhörten. Die neugeborenen Kinder konnten sich nicht entwickeln, weil die Mütter, von Anstrengung und Hunger erschöpft, keine Nahrung für sie hatten. Aus diesem Grund starben z. B. auf der Insel Kuba, als ich dort war, 7 000 Kinder im Lauf von drei Monaten; einige Mütter erdrosselten vor Verzweiflung ihre Kinder. […] Als Ergebnis kann man annehmen, dass in den vierzig Jahren mehr als 12 Millionen Männer, Frauen und Kinder getötet worden sind. (Las Casas, Sehr kurzer Bericht über die Verwüstung Indiens; in: Schmid, Fragen an die Geschichte, Bd. 2, 1979, S. 169 f.) Viele Indigene starben auch an aus Europa eingeschleppten Krankheiten. Sie hatten gegen Pocken und Typhus, Grippe und Masern zu wenig Abwehrkräfte. Erst als im Laufe des 16. Jh. die indigene Bevölkerung gänzlich auszusterben drohte, wurden die Schutzgesetze für die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner ernster genommen. Zu ihrer Schonung wurden nun Sklavinnen und Sklaven aus Afrika nach Amerika verkauft. Millionen Schwarzafrikanerinnen und Schwarzafrikaner wurden in den nächsten Jahrhunderten auf Plantagen und in Bergwerken zur Sklavenarbeit gezwungen und verhalfen damit den Kolonialherren zu ihrem Reichtum. Neue Kolonialmächte im 17. Jh.: England, Frankreich und Holland Nach einem Schiedsspruch des Papstes im Vertrag von Tordesillas war die außereuropäische Welt zwischen Spaniern und Portugiesen vertraglich aufgeteilt (1494). Die anderen europäischen Seemächte traten erst gegen Ende des 16. Jh. in den Kampf um überseeischen „Besitz“ ein. Sie erhoben den Anspruch auf „Freiheit der Meere“. Mit Kaperungen von Schiffen und Überfällen auf Häfen führten die Engländer vorerst den europäischen Krieg gegen Spanien auf den Weltmeeren fort. Sie suchten eine Durchfahrt zu den Gewürzinseln auf der nördlichen Route. Erst zu Beginn des 17. Jh. setzten sie sich in Nordamerika fest. Etwa gleichzeitig landeten die Franzosen am St. Lorenz-Strom im heutigen Kanada und errichteten von dort aus ein großes Kolonialreich. Im 17. Jh. „entdeckten“ die Niederländer Australien, Neuseeland und Neuguinea und bauten in der indonesischen Inselwelt ihr Handelsreich aus. Seit dem 18. Jh. verdrängten die Engländer die Portugiesen aus Indien. Sie gründeten dort private Handelskompanien. Diese übernahmen neben ihrer kaufmännischen Tätigkeit auch staatliche Funktionen (z. B. den Ausbau von befestigten Stützpunkten). Was bewirken die „Entdeckungen“? Bis zum Ende des Mittelalters war den Europäern der größte Teil der Welt noch unbekannt. Doch innerhalb der folgenden 250 Jahren unterwarfen die wenigen europäischen Mächte den größten Teil der ihnen damals bekannten Erdteile. Sie leiteten damit jene „Europäisierung der Welt“ ein, die bis heute noch spürbar ist: in Wissenschaft und (Kriegs-)Technik, Architektur, Wirtschaft und Rechtspraxis. Einen „Kulturaustausch“ gab es in der Neuzeit nur im landwirtschaftlichen Bereich: Die Europäer brachten neben Schafen, Pferden, Rindern und Hühnern auch Zuckerrohr, Kaffee, Oliven, Orangen, den Rebstock und Weizen in die „Neue Welt“. Aus Amerika fanden Tabak, Kartoffeln, Mais, Kakao, Tomaten, Erdnüsse und der Truthahn den Weg nach Europa. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Arbeite mit Hilfe des Internets und/oder eines Sachbuches folgende Informationen über die auf der Karte „Große Entdeckungsfahrten“ auf S. 69 angeführten Entdecker heraus: Herkunft, Auftraggeber, wichtigste „Entdeckungen“. 2. Sammelt in Kleingruppen aus unterschiedlichen Medien politische, wirtschaftliche und kulturelle Informationen über ausgewählte afrikanische Staaten der Gegenwart. 3. Diskutiert in der Klasse, welche Art von Kultur- und Wirtschaftsaustausch es heute zwischen „Nord“ und „Süd“, „Ost“ und „West“ gibt. 4. Fasse Gründe für die "Entdeckungsfahrten" zusammen. Seit einigen Jahrzehnten werden die Arktis, die Antarktis und der Weltraum "erobert". Erörtere, welche Interessen die daran beteiligten Staaten haben könnten. Kompetenztraining Geschichtskarten hinsichtlich ihrer Konstruktion hinterfragen Die Karten-Darstellungen auf S. 69 helfen dir, Historische Methodenkompetenz zu entwickeln und die beiden Kartendarstellungen als Konstruktionen zu erkennen. Ausgehend von unterschiedlichen Ausgangsvorstellungen zeigen die Karten zwei unterschiedliche Sichtweisen der Welt. Die aus den Umsetzung der Arbeitsaufträge gewonnenen Erkenntnisse sollen es dir ermöglichen, auch andere Geschichtskarten hinsichtlich ihrer Konstruktion zu hinterfragen. 1. Vergleiche die beiden Karten auf S. 69 hinsichtlich ihrer Perspektive (Sicht auf die Welt). 2. Analysiere und bewerte mit Hilfe der beiden Karten, ob bzw. inwieweit die Bezeichnung „Europäisierung“ der Welt (vom 15. bis 17. Jh.) gerechtfertigt ist. 3. Ermittle mit Hilfe eines Atlas, welche Gebiete der Erde (Inseln) auf den Karten nicht dargestellt sind. 68 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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