L Die […] Mission des Hauptmannes Marchand zum oberen Nil […] war verursacht durch das Bedürfnis, die demütigende Niederlage von 1882 in der ägyptischen Angelegenheit auszugleichen. Ihre Durchführung war nicht von einem breiten Enthusiasmus der Öffentlichkeit getragen, ja deckte sich nicht einmal mit der offiziellen Politik der französischen Regierung: Sie war das Werk einer kleinen Gruppe von Kolonialschwärmern […] und eines kleinen Kreises von Bürokraten im Kolonialministerium. […] Die Haupttriebfeder der französischen Sudanpolitik war die Wiederherstellung des französischen Prestiges. […] Denn das Gebiet am oberen Nil konnte für Frankreich keinen Wert an sich haben. Als Absatzmarkt oder Transitgebiet […] kam es nicht in Frage. Ein gewisser strategischer Wert konnte ihm allerdings in dem großen Zukunftsplan einer durchgehenden Landbrücke von West nach Ostafrika zukommen. (Baumgart, Der Imperialismus. Idee und Wirklichkeit der englischen und französischen Kolonialexpansion 1880–1914, 1975, S. 44 f.) Arbeite anhand der Textstelle Motive für imperialistisches Handeln heraus. Anonym, Le petit Chaperon Rouge. Karikatur aus „Le Petit Journal“, Suppl. illustré, 9. Jg., Nr. 418, Paris, 20. 11. 1898. Farbdruck. Die Karikatur zeigt den britischen Imperialismus als Wolf, dem Rotkäppchen (= Frankreich) einen Kuchen (= Faschoda) bringt. Erläutere, wie diese französische Karikatur den Imperialismus Frankreichs im Gegensatz zu jenem von Großbritannien zum Ausdruck bringt. Beziehe in deine Überlegungen auch mögliche Sichtweisen des Karikaturisten auf Aspekte imperialistischer Herrschaft ein. Belgien – der König betreibt Kolonialpolitik Das Königreich Belgien zählte zu den schon früh industrialisierten Staaten Europas. Die Wirtschaftskrise von 1873 traf das Land sehr. Zur Lösung der Probleme schlug König Leopold II. im Parlament eine aktive Kolonialpolitik vor, durch die Absatzmärkte gewonnen, der Handel gefördert und die Staatseinnahmen erhöht werden könnten. Darüber hinaus würde Belgien durch den Machtzuwachs im Kreis der europäischen Staaten eine noch bessere Position erlangen. Die Pläne des Königs stießen im Parlament allerdings auf Widerstand, dennoch betrieb Leopold II. Kolonialpolitik. Zu diesem Zweck gründete er eine private Forschungsgesellschaft, für die u.a. der Brite Henry M. Stanley Reisen unternahm. Gleichzeitig erwarb er auch im Gebiet des Kongo Land für den belgischen König. L Im Übrigen suchte er [= der König von Belgien] die Welt glauben zu machen, dass ihn dabei nicht private Gewinnsucht oder Machtgier, sondern ausschließlich humanitäre Motive bestimmten. Er versprach, den Eingeborenen die westliche Zivilisation und das Christentum zu bringen. Vor allem aber sollte der westlichen Welt uneingeschränkter Zugang zu den Märkten im Kongodelta gegeben werden. (Mommsen, Das Zeitalter des Imperialismus, 1969, S. 43) Erst 1908 wurde der Kongo vom belgischen Staat übernommen. Das Deutsche Reich – der „späte Weg“ zur Weltmacht 1882 entstand ein von Bankiers, Unternehmern und Bildungsbürgern geförderter privater „Kolonialverein“. Wenig später wurden die „Gesellschaft für Deutsche Kolonisation“ und die „Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika“ gegründet. Deutsche Kaufleute aus Hamburg und Bremen errichteten in Ost- und Südwestafrika Handelsniederlassungen. Carl Peters, ein Kaufmann, schrieb in seinen Erinnerungen: QIch erkannte in England, was die Wechselwirkung zwischen Mutterland und Kolonien handelspolitisch und volkswirtschaftlich bedeutet und was Deutschland jährlich verliert dadurch, dass es seinen Kaffee, seinen Tee, seinen Reis, seinen Tabak, seine Gewürze […] von fremden Völkern sich kaufen muss; welchen Wert es für die einzelnen Persönlichkeiten in England hat, sich in den Kolonien seinen Unterhalt zu verdienen und ein unabhängiges Vermögen zu machen, im Staatsdienst oder außerhalb desselben. (Peters, Wie Deutsch Ostafrika entstand, 1940, S. 8) Die Händler und Kaufleute traten an die Regierung heran und baten um Schutz für ihre Tätigkeiten und Niederlassungen. 1884/85 verkündete die Regierung die offizielle Schutzherrschaft über „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia), „Deutsch-Ostafrika“ (heute Tansania), Kamerun und die ersten eroberten Inseln im Pazifik. Der Historiker Hans U. Wehler meint: L Durch die Industrialisierung […] wurden in einem Land mehr Waren produziert, als verbraucht werden konnten. Die sich daraus ergebenden Krisen glaubte man meistern zu können, indem man Waren und Kapital ausführte und so den Markt über die eigenen Grenzen hinaus ausdehnte. Die raschen Veränderungen drohten auch die alte Gesellschaftsordnung in Klassen zu zerreißen und 76 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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