1. Europa im Wandel – Humanismus und Renaissance 1453, 1492, 1517 oder ???? Bis heute ist für Historikerinnen und Historiker die Periodisierung (= zeitliche Einteilung) der Geschichte ein Problem. Besonders deutlich zeigt sich dieses bei der Grenzziehung zwischen Mittelalter und Neuzeit. Als Trennlinie zog man in der Geschichtswissenschaft bis weit ins 20. Jh. hinein häufig ein Ereignis der politischen Geschichte heran (wie z. B. die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahre 1453, die Fahrt des Kolumbus nach Amerika 1492 oder den Ausbruch der Reformation mit Luthers Thesen von 1517). Doch schon in der Mitte des 15. Jh. unterschied ein italienischer Gelehrter zwischen dem „Mittelalter“ und „unserem Zeitalter“. Diese Trennlinie zeigte sich in einem neuen Menschen- und Weltbild, in einem neuen Verständnis von Wissenschaft, Kunst und Kultur. Dabei spielte die griechisch-römische Antike eine entscheidende Rolle. Wandel in der Kultur Kulturgeschichtlich begann damit in Europa eine neue Epoche: Als Erste brachen italienische Wissenschafter und Künstler mit dem Weltbild des Mittelalters. Nicht mehr das Jenseits stand bei ihnen im Mittelpunkt ihres Denkens, sondern der „diesseitige“ Mensch. Die Gebildeten beschäftigten sich lieber mit dem „heidnischen“ Kulturgut der griechisch-römischen Antike. Wissenschaft und Technik profitierten von dieser neuen Geisteshaltung. Schließlich sorgte der Buchdruck für eine rasche Verbreitung dieses Gedankengutes in ganz Europa. Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft Am Ende des 15. Jh. wurden der Wandel der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung und die Änderungen in Wirtschaft, Politik, Religion und Kultur immer deutlicher. Deshalb gaben Historiker im 19. Jh. der Zeit ab 1500 einen anderen Namen: Neuzeit. Seuchen, Kriege und allgemeine Not begleiteten den mittelalterlichen Menschen bei seinem Aufbruch in das neue Zeitalter. Während auf dem Lande große Teile der Bauernschaft verelendeten und viele kleine (adelige) Grundherren verarmten, erlebten die Städte einen spürbaren Aufschwung. In den großen Handelszentren entwickelte sich ein neuer Unternehmertyp. Er suchte seinen Markt nicht mehr nur in der näheren Umgebung, sondern in ganz Europa und bald schon in anderen Kontinenten. In Italien erlebte das Bankwesen seine Geburtsstunde und entwickelte sich schnell zu einem bis heute unverzichtbaren Teil des Wirtschaftslebens. Technische Erfindungen trugen wesent- Michelangelo, Gott erschafft Adam. Ausschnitt aus einem Deckenfresko, das die Erschaffung der Welt und des Menschen sowie die Sintflut zeigt; Sixtinische Kapelle, Vatikan, 1511–1512. lich zur Steigerung der Produktivität bei. Sie ermöglichten den Europäern auch die Ausbreitung über die Weltmeere und andere Kontinente. Den „Entdeckungen“ folgten bald die Ausbeutung und Beherrschung riesiger fremder Länder. Das war vor allem auch auf die Entwicklung neuer Waffentechniken zurückzuführen. Wandel in Politik und Religion Der Zeitenwandel zeigte sich auch in der Politik: Papst und Kaiser waren im Jahrhunderte dauernden Kampf und Zusammenspiel die wichtigsten politischen Kräfte im mittelalterlichen Europa. Nun verloren sie ihren Vorrang. Zwar regierten die Habsburger jahrzehntelang ein Reich, „in dem die Sonne nicht untergeht“. Doch ein starkes französisches Königreich im Westen und die bis nach Wien vorstoßenden Osmanen machten den Habsburgern die Vormachtstellung in Europa streitig. Im Heiligen Römischen Reich wiederum nutzten die Landesfürsten die schwache Stellung des Kaisers zum Ausbau starker Landeshoheiten. Auch die mächtige katholische Kirche befand sich in der Krise: Es ging um die Erneuerung des Glaubens und um den Kampf gegen die Missstände in der von Rom aus regierten Amtskirche. Doch anstelle einer Reform folgte die Reformation, anstelle neuer Glaubenseinheit gab es Glaubenskrieg. Erörtere, nach welchen Kriterien man Epochengrenzen in der Geschichte ziehen könnte. Im 20. Jh. fanden revolutionäre technische Entwicklungen statt (Entdeckung der Kernspaltung, Mondlandung, Computer, Internet etc.). Diese haben Wissenschaft und Technik, Wirtschafts- und Alltagsleben entscheidend verändert. Erläutere, ob wir damit am Beginn eines neuen Zeitalters stehen. Diskutiert darüber in der Klasse. Renaissance – die „Wiedergeburt der Antike“ Seit dem 14. Jh. wurde es in Italien „modern“, sich mit der antiken Kultur zu beschäftigen. Besonderes Interesse galt dem Schrifttum der römischen Klassiker, wie z. B. Cicero, Caesar oder Livius, aber ebenso den Lehren des 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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