1. Die Aufklärung Gegen die Unmündigkeit QAufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen dennoch gerne zeitlebens unmündig bleibt; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. (Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, 1971, S. 53 ff.) Benenne die Argumente Kants, nach denen die Menschen unmündig sind. Beschreibe, worauf sie ihr Handeln gründen sollten. Erläutere, an welchen politischen Zuständen er Kritik übt. Erörtere, ob die Aussagen Kants auch heute noch Berechtigung haben. Gottlieb Doeppler, Immanuel Kant. Gemälde, 33 x 28,5 cm, 1791. Immanuel Kant wirkte als Universitätsprofessor in Königsberg (Ostpreußen). Die Voraussetzungen: Empirismus und Rationalismus Die geistigen Wurzeln der Aufklärung reichen in die griechische Antike zurück. Ebenso haben die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse von Kopernikus, Kepler und Galilei am Beginn der Neuzeit Grundlagen für die Aufklärung geschaffen. Der Engländer Francis Bacon vertrat im 18. Jh. die Ansicht, dass die Erfahrung (= Empirie) die einzig verlässliche Quelle der Erkenntnis sei. Er lehnte daher nicht überprüftes und nicht überprüfbares Wissen ab. Beobachtung und Experiment seien deshalb die einzigen zulässigen wissenschaftlichen Methoden. In Frankreich schuf René Descartes den Rationalismus. Auch er weigerte sich, traditionelle Lehrsätze zu übernehmen. Alles wurde von ihm systematisch in Zweifel gezogen: „Ich denke, also bin ich“ (Cogito ergo sum). Seine Weltanschauung war geprägt vom Glauben an die menschliche Vernunft. Gegen politische Unmündigkeit Der Engländer John Locke entwickelte eine Staatslehre, in der er die Aufgaben des Staates auf das Notwendigste einschränkte. Die wichtigste Aufgabe sei der Schutz des Eigentums seiner Bürger. Im Gegensatz zum Absolutismus sah Locke im Volk die höchste Autorität im Staat. Er begründete damit den Grundsatz der Volkssouveränität. Auf dieser Grundlage forderte Locke eine konstitutionelle Regierung. Unverzichtbar erschienen ihm das Recht auf Widerstand sowie die Trennung der Staatsgewalten in Gesetzgebung und Regierung (Legislative, Exekutive). Der Franzose Charles Montesquieu entwickelte später diese Ideen weiter. Er führte noch zusätzlich die Jurisdiktion (Rechtsprechung) als unabhängige Gewalt ein. Auch der Volksbegriff wandelte sich entscheidend. War im Mittelalter nur der Adel das „Volk“, zur Zeit des Absolutismus die Stände, so erklärte nun Jean-Jacques Rousseau in seinem Hauptwerk „Contrat social“ („Gesellschaftsvertrag“) die abhängige Bevölkerung zum Volk. Der Herrscher hat die Pflicht, das Wohl seiner Untertanen zu sichern. Ist er dazu nicht im Stande, kann ihn das Volk absetzen. Aufklärung und Gesellschaft Die Aufklärer verstanden den Menschen als ein zur Freiheit berechtigtes und von Natur dazu bestimmtes Wesen. Sie hielten jede Form von Unfreiheit für ungerecht. Sie bekämpften diese in ihren Schriften. Deshalb setzten sich die Vertreter der Aufklärung auch für die Emanzipation der jüdischen und bäuerlichen Bevölkerung sowie der Sklavinnen und Sklaven ein. Rousseau drückte das 1762 in seinem „Contrat social“ folgendermaßen aus und verband damit gleichzeitig die Aufforderung zum politischen Handeln – zur Revolution: Q Der Mensch wird frei geboren, doch überall ist er in Ketten. Solange ein Volk gezwungen ist, zu gehorchen, tut es wohl, sobald es aber das Joch abwerfen kann und es abwirft, tut es besser. Seiner Freiheit entsagen, heißt seiner Eigenschaft als Mensch zu entsagen. Eine solche Verzichtsleistung ist unverträglich mit der menschlichen Natur. (Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag. Textkritische Ausgabe, hg. v. Fischer, 2002) 86 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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