Frauenalltag Frauen und Sklaven hatten in Athen eines gemeinsam: Sie waren politisch und juristisch gesehen rechtlos. Während sich die Männer hauptsächlich außer Haus aufhielten und dort ihren Beschäftigungen nachgingen, lag die Welt der Frau im Haus. Aber selbst da gab es für Mann und Frau getrennte Lebenszonen: Meist im Obergeschoß befand sich der den Frauen vorbehaltene Wohnraum (= Gynaikon). Dort wuchsen auch die jungen Mädchen – abgeschirmt von der Außenwelt – unter Aufsicht ihrer Mütter, Ammen und Sklavinnen auf. Im Gynaikon lernte die junge Athenerin jene Tätigkeiten, die von ihr als Ehefrau erwartet wurden: Kochen, Spinnen, Weben. Manche Mädchen erhielten dazu auch noch Grundkenntnisse im Rechnen, Schreiben, Lesen und Musizieren. Meist wurden sie schon im Alter von 12 bis 15 Jahren von ihrem Vater an einen oft doppelt so alten Mann verheiratet. Eine ehrbare, wohlhabende Ehefrau verließ ihr Haus so selten wie möglich. Bei Hochzeiten und Begräbnissen, zum Besuch des Theaters und öffentlicher Festlichkeiten konnte man sie in der Öffentlichkeit sehen. Den Einkauf auf dem Markt besorgten die Sklaven ebenso wie alle Botengänge. Die einfache Frau aus dem Volk jedoch musste aktiv mithelfen, die Familie zu erhalten. Als Händlerin auf dem Markt verdiente sie ebenso ihr Geld wie als Textilarbeiterin oder als Hebamme, ein Beruf, der hoch geachtet war. Zu höheren Berufen, die Bildung und Ausbildung erforderten, hatten Frauen normalerweise keinen Zutritt. Was die Männer von einer attischen Frau erwarteten, erklärte Perikles in der „Gefallenenrede“ so: Q Soll ich auch [...] von der Frauentugend sprechen, so kann ich alles in die kurze Ermahnung zusammenfassen: Erfüllet ohne Rest die Pflichten, die eure Natur euch zuweist, so wird man euch loben, und wenn von einer Frau, sei es zum Guten, sei es im Bösen, unter Männern möglichst wenig gesprochen wird, so ist das ihr höchster Ruhm. (Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges II, 45) In diesem Text ist von der „Natur der Frau“ die Rede. Erläutere, welche Eigenschaften damit gemeint sein könnten bzw. ob man heute noch von „natürlichen“ Eigenschaften einer Frau/eines Mannes spricht. Die rechtlose Frau Die Stellung der Frau war zur Zeit des Perikles besonders schlecht. Die Athenerin erlangte niemals größere Handlungsfreiheit. Die Herrschaftsgewalt des Hausherrn erstreckte sich über die gesamte Familie und ebenso über deren Besitz. In allen Rechtsangelegenheiten musste sich die Frau von einem Mann vertreten lassen, ihre Zeugenaussage vor Gericht hatte nur bedingte Gültigkeit. Auch das Scheidungsrecht benachteiligte die Frau: Stets wurde sie als schuldig betrachtet, wenn eine Ehe wegen Kinderlosigkeit oder Zwistigkeiten – das waren die häufigsten Gründe – geschieden wurde. Der Mann konnte seine Frau auch ohne Begründung einfach verstoßen. Sie aber musste mit dem Beistand eines männlichen Verwandten die Scheidungsklage persönlich beim zuständigen Archon einbringen. Selbst wenn die Frau Recht bekam, blieben aber die gemeinsamen Kinder beim Mann. Im Gegensatz zu den Frauen waren den Männern auch außereheliche Beziehungen erlaubt. Während die Mädchen armer attischer Bürger oft als Hetären verkauft wurden, da es an der Mitgift fehlte, fristeten vor allem Sklavinnen oder Metökinnen das Leben als Prostituierte. Sie waren in der von Männern dominierten attischen Gesellschaft durchaus geduldet. Manche von ihnen gelangten in dieser Rolle sogar zu großem Vermögen. Attisches Grabrelief des Thraseas und der Euandria. Das Ehepaar ist eng aufeinander bezogen dargestellt. Die Frau – sitzend in geschlossener Körperhaltung, die Füße auf einem Schemel ruhend – repräsentiert häusliche Ehrbarkeit; der Mann – stehend, mit der Linken das Ende seines über die Schulter gelegten Mantels haltend – repräsentiert den Typus des intellektualisierten Bürgers seiner Zeit. Sie reichen einander die Hand im Gestus der ehelichen Verbundenheit. Im Hintergrund eine Dienerin in Trauerpose. (Relief, um 360 v. Chr., Höhe 1,60 m) Fragen und Arbeitsaufträge 1. Stelle die Lebenssituation und die Rechte der männlichen Vollbürger sowie die der (männlichen) Metöken dar und vergleiche sie mit jener der heutigen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sowie Immigrantinnen und Immigranten. 2. Vergleiche die Lebenssituation der attischen Frauen mit der von Frauen heute. Bewerte die Ansprüche, die die gegenwärtige Industriegesellschaft an „moderne“ Frauen stellt. 3. In der österreichischen Verfassung, im Eherecht und auch durch die Menschenrechte sind Mann und Frau gleichgestellt. Vergleiche Recht und Wirklichkeit heute und stelle sie dem attischen Recht gegenüber. 4. Recherchiere in einem Lexikon oder im Internet über die griechische Polis Sparta: Sie wurde schon in der Antike als gegensätzliches Ideal zu Athen dargestellt. Beschreibe die politische Organisationsform im antiken Sparta. Schildere die Rechte und Pflichten, die Männer, Frauen, Kinder und Fremde (= Nicht-Spartiaten) dort hatten. 23 Die antike Welt – Griechenland und Rom Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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